Der „Tatort“ ist aus der Sommerpause zurück: Eine Mordermittlung entwickelt sich zu einer bewegenden Studie darüber, was sexuelle Gewalt mit ihren Opfern macht.
Worum geht’s in diesem „Tatort“ aus Franken?
In einem nahe Nürnberg gelegenen Wald wird eine Leiche gefunden. Sie liegt dort seit zwei Jahren tief im Boden vergraben. Wie die Kommissare Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) herausfinden, handelt es sich dabei um den Fahrradhändler Andreas Schönfeld (Benjamin Schaefer). Er wird von allen als freundlich und umgänglich beschrieben, niemand verliert ein schlechtes Wort über ihn. „Es ist, als ob er eine Mauer des Guten um sich herum gebaut hat“, klagt Felix Voss. Wer bringt so jemanden um? Bewegung kommt in den Fall, als eine Speicherkarte des Toten auftaucht. Darauf befinden sich Fotos von Frauen, die vergewaltigt wurden, teilweise über Tage. Darunter auch Lisa Blum (Mavie Hörbiger). Die blinde Frau scheint irgendetwas mit dem Fall zu tun zu haben.
Warum lohnt sich „Ich sehe dich“?
Gewöhnlich steht beim Krimi der Täter im Mittelpunkt: Die Frage, wie ein Mensch zum Mörder wird, ist oft das eigentlich interessante, die Geschichte der Opfer interessiert hingegen selten. Dieser „Tatort“ aus Franken ist anders: Hier steht ein Opfer im Vordergrund. Nicht das Mordopfer – ein skrupelloser Serienvergewaltiger. Sondern dessen Opfer. Am Beispiel der blinden Lisa Blum zeigt der Film (Buch: Max Färberböck und Catharina Schuchmann, Regie: Max Färberböck und Danny Rosness), wie fundamental sexuelle Gewalt das Leben von Frauen zerstören kann. Es gibt viele Menschen in dieser Geschichte, die ein Motiv hätten, den Vergewaltiger zu töten. Als Felix Voss den Täter findet, verzweifelt er an der Sinnhaftigkeit seines Berufs: „Da ist mal einer, der einen echten Grund hat. Und ich sitz vor ihm und muss ihm zeigen, wie vergeblich das ist. Wir müssen ihn kriegen, wir werden ihn kriegen. Das ist doch zum Kotzen.“
Was stört?
„Ich sehe dich“ ist dieser „Tatort“ betitelt. Und das ist auch das eigentliche Thema dieses Films. Die Frau, die durch die Augen von Männern gesehen wird. Die glauben, sie zu sehen – und dann zu beurteilen, was gut ist für sie. Leider entgeht der Film selbst nicht ganz dem Problem, das er eigentlich beschreiben will: Er reproduziert den männlichen Blick auf die von Mavie Hörbiger glänzend gespielte Lisa Blum.
Die Kommissare?
Felix Voss stürzt nach der morgendlichen Dusche und erleidet eine Gelenksprengung. Der Artz möchte ihn mehrere Wochen lang krank schreiben und auf Reha schicken. Voss ignoriert das – und arbeitet trotzdem. Da er aber mit einem Arm nicht Autofahren kann, bekommt er einen eigenen Fahrer gestellt, Manfred „Fred“ Kramer (Sigi Zimmerschied), der kurz vor der Pension steht und bei Voss‘ Begrüßung direkt klar macht: „Dieses ewige Du, das geht mir sowas von auf den Sack.“ Ein Grantler, wie es sie nur in Franken gibt.
Ein- oder ausschalten?
Der „Tatort“ kehrt gut erholt aus der Sommerpause zurück. Schalten Sie unbedingt ein.