Charlie Sheen gewährt einen Blick in sein skandalgespicktes Leben. Interessant ist das für seine Fans – und erst recht für seine Kritiker.
Vor einer Woche ist Charlie Sheen 60 Jahre alt geworden. Der US-Schauspieler sieht diesen Meilenstein offenbar als den richtigen Zeitpunkt für einen schonungslosen, überraschenden, zuweilen auch abstrusen Seelenstriptease an. So gibt es seit dem 9. September seine Autobiografie „The Book of Sheen“ zu kaufen. Und nur einen Tag später erscheint bei Netflix die zweiteilige Doku „aka Charlie Sheen“ über seinen rasanten Aufstieg, den noch rasanteren Niedergang und seinen Kampf zurück in etwas, das doch glatt als Normalität bezeichnet werden kann. In Sheen-Maßstäben, versteht sich.
Dass der Sohn von Hollywoodlegende Martin Sheen (85) in der Lage ist, sich selbst ins schlechte Licht rücken zu lassen, bewies er bereits 2011 in „The Comedy Central Roast of Charlie Sheen“, wo er sich und seine Lebensentscheidungen den brutalen Witzen diverser Comedians und Weggefährten stellte. Entsprechend wenig Rücksicht scheint er auch in der neuen Doku auf sich selbst zu nehmen, auch wenn es ihm immer wieder gelingt, ein Augenzwinkern in die dargebotenen Enthüllungen zu schmuggeln. Etwa, wenn er seine Beweggründe für die Doku erklärt: „Ich stehe zu allem, was ich getan habe. Endlich erzähle ich die Geschichten so, wie sie tatsächlich passiert sind. Die Geschichten, an die ich mich erinnern kann, jedenfalls.“
Die Drogen
Und die haben es wahrlich in sich. Der exzessiven Alkohol- und Sexsucht folgten Kokain, Crack, Opiate und Heroin. Sheen wurde zum Sinnbild der Erkenntnis, dass Erfolg schnell zu Kopf steigt. Besagter Erfolg wird ebenfalls in der Doku beleuchtet: Sein erster großer Part war sogleich die Hauptrolle in Oliver Stones vierfach mit einem Oscar ausgezeichneten „Platoon“. Es folgten „Wall Street“ und „Hot Shots!“ – von Kriegsdrama bis Mega-Klamauk schien Sheen jedes Genre zu beherrschen.
Im Mai 1998 dann der erste Weckruf, den der Star rückwirkend betrachtet geflissentlich zu verschlafen wusste: Er erlitt damals nach einer Überdosis Kokain einen Schlaganfall und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Fünf Jahre später schaffte er es dennoch, die Hauptrolle in der Sitcom „Two and a Half Men“ zu ergattern, die ihn zwischenzeitlich zum bestbezahlten Serienstar der Welt machte. Doch auch hier beendeten seine Drogeneskapaden den Höhenflug, Sheen wurde nach einer öffentlichen Schlammschlacht mit Serienschöpfer Chuck Lorre (72) vor die Tür gesetzt – und seine Figur Charlie Harper sogar doppelt um die Ecke gebracht.
Die Frauen – und Männer
Dass Charlie Sheen trotz der Skandale stets große Anziehungskraft auf Frauen auswirkte, ist angesichts zahlloser Beziehungen und drei Ehen längst verbrieft. Überraschend enthüllt er in Buch und Doku aber, dass er auch Sex mit Männern hatte. „Ich habe die Speisekarte umgedreht“, beschreibt er diese „befreienden“ Erfahrungen laut „People“ gewohnt blumig.
Für seine Sexpartnerinnen und -partner ist dieses Thema derweil ein extrem sensibles. Schließlich enthüllte Sheen erst 2015, bereits seit mehreren Jahren HIV-positiv zu sein. Seinen Beteuerungen nach habe er jedoch nie jemanden damit angesteckt.
Die anderen Perspektiven
Der wichtige Teil der Doku „aka Charlie Sheen„: Sie gewährt zahlreiche andere Perspektiven abseits der ihres Subjekts. Chuck Lorre darf darin ebenso seine Seite der Geschichte erzählen, wie „Two and a Half Men“-Co-Star Jon Cryer (60) oder Sheens Ex-Frau Denise Richards (54) – und selbst ein ehemaliger Drogendealer kommt zu Wort.
Diese Offenheit den eigenen Dämonen gegenüber dürfte mit der Tatsache zusammenhängen, dass Sheen sein Leben inzwischen nachhaltig in den Griff bekommen zu haben scheint. Seit 2017 ist er eigenen Angaben nach trocken, zuvor habe er bereits den Drogen abgeschworen. Auf der Sinuskurve, als die Sheens bewegtes Leben betrachtet werden kann, befindet er sich aktuell also wieder oben. Und dieses Mal, so scheint es jedenfalls, will er dort auch bleiben.