Aufnahmeprogramm: Flug mit über 40 Afghanen in Deutschland gelandet

Erst trat die Bundesregierung beim Aufnahmeprogramm für gefährdete Afghanen auf die Bremse. Nach monatelanger Wartezeit sind mehrere Familien jetzt in Deutschland angekommen.

Erstmals seit dem Start der schwarz-roten Koalition sind Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusage in Deutschland angekommen. Mehrere Familien wurden per Linienflug aus Pakistan mit Zwischenstopp in Istanbul nach Hannover gebracht. Wie ein Fotograf der Deutschen Presse-Agentur berichtete, landete die Maschine aus Istanbul gegen 14 Uhr am Flughafen Hannover-Langenhagen. 

Bei den 45 afghanischen Staatsangehörigen handele es sich ausschließlich um Personen, die über Gerichtsverfahren die Vergabe von Visa erwirkt hätten, teilte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums mit. „Alle diese Personen haben das Aufnahmeverfahren und die Sicherheitsprüfung vollständig durchlaufen“, fügte sie hinzu.

Viele afghanische Familien harren bereits Monate oder Jahre in Islamabad aus. Eine Frau hatte der dpa am Flughafen in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad vor ihrem Abflug gesagt, sie habe 14 Monate auf ihre Ausreise gewartet und die Zeit in Islamabad voller Sorgen verbracht. Nun freue sie sich auf ein Leben in Freiheit und Sicherheit.

Neue Bundesregierung stoppte Aufnahmeprogramm

Die schwarz-rote Bundesregierung hatte das Aufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen im Mai gestoppt. Neben früheren Ortskräften deutscher Institutionen und ihren Angehörigen sollten über das Programm auch Afghanen aufgenommen werden, die Verfolgung durch die islamistischen Taliban fürchten müssen, etwa weil sie sich in der Vergangenheit als Anwälte oder Journalistinnen für Menschenrechte eingesetzt haben. Unter den nun in Hannover Gelandeten sind laut Bundesinnenministerium keine einstigen Ortskräfte der Bundeswehr oder anderer in Afghanistan tätiger deutscher Einrichtungen.

Dass jetzt trotz des Stopps einige der Betroffenen trotzdem mit ihren Angehörigen reisen durften, liegt daran, dass sie, um ihre Einreise durchzusetzen, in Deutschland geklagt hatten. Unterstützt werden die Betroffenen dabei teils von der Organisation „Kabul Luftbrücke“. Laut Auswärtigem Amt gibt es aktuell rund 85 Eilverfahren, die vor Gericht anhängig sind.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte: „Wir haben als Koalition klar vereinbart, freiwillige Aufnahmeprogramme so weit als möglich zu beenden – dazu stehen wir.“ Rechtsverbindliche Aufnahmezusagen würden aber eingehalten. „Knapp 50 Personen können deswegen heute nach Deutschland einreisen.“

Abschiebungen nach Afghanistan

Zusätzliche Dringlichkeit hatte die Angelegenheit bekommen, nachdem die pakistanischen Behörden damit begonnen hatten, auch Afghanen aus dem deutschen Aufnahmeprogramm nach Afghanistan abzuschieben.

Das Auswärtige Amt teilte mit, aktuell befänden sich aus dem Aufnahmeprogramm derzeit 2.100 Personen in Pakistan und 200 in Afghanistan. Mitte August hatte die Bundesregierung mitgeteilt, etwa 210 Menschen aus dem Programm, die sich zuletzt in Pakistan aufgehalten hätten, seien nach Afghanistan abgeschoben werden. Man stehe mit ihnen in Kontakt.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte vor gut einer Woche noch Kritik an der Dauer des Aufnahmeprozesses zurückgewiesen. Er betonte: „Ich bin nicht bereit, auf reguläre Aufnahmeverfahren, ich bin nicht bereit, auf Sicherheitsüberprüfungen zu verzichten.“

Außenminister dringt auf mehr Tempo 

Wadephul sagte nun: „Ich bin der pakistanischen Seite, insbesondere meinem Amtskollegen, außerordentlich dankbar dafür, dass wir den Zeitraum für diese Überprüfungsmaßnahmen jetzt bis zum Jahresende haben verlängern können.“ Er erwarte nun, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diese Zeit effektiv nutzten. Die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner sagte, es sei „gut, dass sich diese Regierung noch an Gerichtsurteile hält“. 

Überprüfungen laufen noch

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte mit, „dass der große Teil der Menschen noch nicht alle Schritte im Aufnahmeverfahren durchlaufen“ habe. Auf Nachfrage von Journalisten erklärt er, dies betreffe über 90 Prozent.

Neue Gerichtsentscheidung

Im Streit um die Erteilung von Visa für Afghanen zur Einreise nach Deutschland hat ein Gericht der Bundesregierung unterdessen eine weitreichende Entscheidungsfreiheit eingeräumt. Solange Behörden Betroffenen noch keine Aufnahme zugesichert und sich damit rechtlich gebunden hätten, dürften sie frühere Entscheidungen überprüfen, entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG). 

Es erklärte damit den vorübergehenden Stopp der Aufnahmeverfahren für Ortskräfte und aufgrund ihrer früheren Tätigkeit gefährdeten Menschen für zulässig, wie ein Sprecher mitteilte. 

Erfolg für Auswärtiges Amt 

Aus einer Aufnahmebereitschaft ergäbe sich noch kein Anspruch auf ein Visum, so die Richter. Die Programme seien aufgrund politischer Entscheidungen getroffen worden. Die Bundesregierung habe das Recht zu überprüfen, ob das frühere politische Interesse an der Aufnahme der Antragsteller noch vorliege. Damit war die Beschwerde des Auswärtigen Amtes gegen eine Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts im Eilverfahren erfolgreich. 

Im konkreten Fall ging es um einen früheren hochrangigen Richter Afghanistans sowie dessen Ehefrau und den vier Kindern. Ihm wurde Ende 2022 die Bereitschaft signalisiert, ihn auf eine „Überbrückungsliste“ aufzunehmen. Als er sich darauf berief und Visa beantragte, wurde dies im Frühsommer 2025 aber abgelehnt. Zur Begründung führte das Auswärtige Amt an, eine Einreise im Rahmen der Programme sei ausgesetzt.