Sehnsucht nach Abkühlung: Reisetrend „Coolcation“ – Chance für den kühlen Norden?

Eher die Füße in die kühle Ostsee halten, als am Mittelmeer in der Sommerhitze zu schwitzen: Urlaubsregionen im Norden sehen eine Nachfrage nach Reisen in kühlere Regionen.

Coolcation“ oder Flucht vor der Hitze im Mittelmeerraum: Tourismusexperten sehen Potenzial, künftig mehr Urlauber für Sommerferien im vergleichsweise kühleren Norden zu begeistern. „Es zeichnet sich ab, dass der Klimawandel früher oder später die Nachfrage nach dem „kühlen Norden“ positiv begünstigen wird. In unserer Strategie zur Bearbeitung internationaler Märkte berücksichtigen wir deshalb gegenwärtige, weltweite Veränderungen und Rahmenbedingungen“, sagt Katrin Hackbarth, Sprecherin des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern. 

Für Erholung und Naturerleben ohne Hitzerisiko gibt es in der Tourismusbranche schon länger den Begriff „Coolcation“ – eine Wortschöpfung aus den englischen Begriffen „cool“ (kühl) und „vacation“ (Reisen), also frei übersetzt: kühles Reisen. Vor allem in Skandinavien, wo Sommer vergleichsweise kühler ausfallen als in Südeuropa, wird mit „Coolcation“ schon geworben.

Noch Potenzial bei ausländischen Touristen in MV 

Mecklenburg-Vorpommern mit seinen großen Naturräumen und der „kühle Norden“ werden auch nach Ansicht Michael Succows für Reisende aus dem Süden wegen des Klimawandels an Bedeutung gewinnen. „Da ist eben die Ostsee, die kühlt“, erklärte der Naturschützer, Stifter und Träger des Alternativen Nobelpreises. Das geschehe etwa bei der Verdunstung von Meerwasser, so der Wahl-Greifswalder.

Das Wirtschaftsministerium sieht in dem Trend auch eine Chance, mehr internationale Touristen in den Nordosten zu locken. Der Anteil ausländischer Touristen an den Gesamtübernachtungen sei bislang noch vergleichsweise gering. 2024 waren es rund 983.000 Übernachtungen, was etwa drei Prozent der insgesamt rund 32,9 Millionen Übernachtungen entspricht. Da gebe es noch großes Potenzial.

Aus Sicht des Tourismusverbandes ist nicht zuletzt das Thema Verkehrsanbindung ein maßgeblicher Faktor dafür, inwieweit das Urlaubsland Mecklenburg-Vorpommern den neuen Trend „Coolcation“ für sich ausschöpfen kann. Darauf hatte vor wenigen Tagen auch der Chef des Reiseveranstalters PTI Panoramica in Roggentin bei Rostock, Kai Otto, mit Blick auf den Flughafen Rostock-Laage in einem Brief an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Wirtschaftsminister Wolfgang Blank (parteilos) hingewiesen. 

Kühler Norden als Marketingstrategie

Der Norden Europas werde für Menschen aus südlichen Regionen zunehmend attraktiv. Ein „deutlicher Incoming-Zuwachs“ ließe sich so generieren, so Otto. „Die skandinavischen Märkte machen dies seit Jahren vor.“ Der „Ostsee-Zeitung“ sagte er, gerade am Mittelmeer sei es mit Temperaturen um die 40 Grad Celsius selbst für viele Einheimische unerträglich heiß. Sie wollten in kühlere Gefilde. Dabei spiele der Flughafen eine zentrale Rolle. 

Den Trend erkennt man auch in Niedersachsen, das nach Einschätzung des Vorsitzenden des Tourismusverbandes Niedersachsen (TVN), Holger Heymann, künftig stärker mit „Coolcation“ werben sollte. „Das könnte eine Marketingstrategie für Niedersachsen sein“, sagt er der dpa. Heymann verweist auf Erholungsorte, wie etwa die Wattenmeerküste, die schon jetzt im Sommer eine vergleichsweise kühlere Ferienregion sei.

An der niedersächsischen Nordseeküste wird seit Kurzem speziell mit „Coolcation“ geworben. Die Tourismus-Agentur Nordsee (Tano) in Wilhelmshaven ließ etwa während der Hitzewelle in Deutschland Anfang Juli erstmals in den heißeren, südlich gelegenen deutschen Städten Freiburg, Karlsruhe und Köln Werbung auf großen Anzeigenflächen für eine Abkühlung bei einer „Sommerbrise an der Nordsee“ schalten. 

Bei einem lauen Wind an der Küste würden viele die Wärme besser vertragen, sagt Tano-Geschäftsführer Mario Schiefelbein auf Anfrage. „Das ist für uns ein Riesenvorteil. Ich glaube, wir können Menschen dazu bringen, mal den Urlaub Richtung Nordsee zu planen statt ans Mittelmeer.“ Diese Aussage würde zweifelsohne auch der Tourismusverband MV für die Ostsee und Mecklenburg-Vorpommern unterschreiben.