Bildung: „Darf nie wieder passieren“ – Kampf gegen Demografie-Folgen

In Thüringen gibt es immer weniger Kindergartenkinder. Schon bald könnte es zu viele Erzieher und Einrichtungen geben. Die Thüringer Linke warnt vor den Folgen und fordert Investitionen.

Die Linke-Bildungspolitikerin Ulrike Grosse-Röthig zeichnet ein düsteres Bild: „Wir werden in 16 Jahren keine Lehrlinge mehr haben. Die Kinder, die jetzt nicht in den Kindergarten gehen, gehen dann nicht in die Lehre“, sagt sie Oppositionspolitikerin. „Wir müssen jetzt anfangen, dafür Lösungen zu finden.“ 

Sie warnt vor Schließungen von Kindergärten und Grundschulen, einer Abwanderung von Fachkräften – und den Folgen. „Wir stehen in diesem Bundesland vor einem gravierenden Wandel der Gesellschaft, vor einer mit rasender Geschwindigkeit älter werdenden Gesellschaft“, sagt sie.

Niedrige Geburtenraten

Das Problem ist seit Jahren bekannt, spitzt sich inzwischen aber zu: Historisch niedrige Geburtenraten führen dazu, dass immer weniger Kinder in die Kindergärten kommen. 

Erst kürzlich unterstrichen Zahlen die Dramatik dieser Entwicklung: Die Geburtenrate ging vergangenes Jahr bundesweit nirgends so deutlich zurück, wie in Thüringen. Im Freistaat sank die durchschnittliche Zahl der Kinder, die Frauen pro Person zur Welt bringen, um sieben Prozent auf 1,24, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Deutschlandweit betrug der Rückgang zwei Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 hatte die Rate im Freistaat noch bei 1,53 gelegen. Seither ist sie um sechs bis sieben Prozent jährlich gesunken.

Die Zahl der registrierten neugeborenen Kinder lag im vergangenen Jahr auf einem nie dagewesenen Tief. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes wurden im vergangenen Jahr 11.803 Lebendgeborene gezählt, so wenig wie noch nie seit Beginn der Erfassung im Jahre 1955. Auch der bisherige Tiefstwert aus dem Jahre 1994 wurde demnach um 918 Geburten (-8,9 Prozent) unterschritten. Diese Entwicklung schlägt zuerst in den Kindergärten durch, dann – damit rechnen Bildungsexperten – wird er auch in den Grundschulen ankommen. 

Die Kommunen reagieren teils mit Kita-Schließungen, Träger reduzieren Wochenarbeitsstunden bei Erzieherinnen und Erzieher, teils geht schon die Angst um, dass Fachkräfte „rübermachen“ – in den Westen, wie in den 1990er Jahren. „Darunter leidet Thüringen noch heute und das darf uns als Bundesland nie wieder passieren“, sagt Grosse-Röthig.

Vereine und Kindergarten unter einem Dach?

Thüringens Bildungsminister Christian Tischner hatte zuletzt auf die Verantwortung der Kommunen bei der Planung ihres Kindergartennetzes und Prioritätensetzung verwiesen. „Das ist eine Entscheidung, die tatsächlich die Gemeinden vor Ort treffen müssen: Wie dicht ist ihr Netz an Kindergärten?“, hatte der CDU-Politiker gesagt. Zugleich hatte er Signale aus westdeutschen Bundesländern zurückgewiesen, Fachpersonal könnte einfach in den Westen abwandern, wo teils händeringend Erzieherinnen und Erzieher gesucht werden. „Es muss keiner das Land verlassen.“

Grosse-Röthig kritisierte die Brombeer-Landesregierung aus CDU, BSW und SPD, im Bildungsbereich zu wenig gegen die demografischen Folgen im Bildungssektor zu tun. „Wir erleben gerade nicht viel Strategie seitens der Landesregierung.“

Die Linke-Fraktion fordert ein „Kindergarten-im-Dorf-Gesetz“. Wenn Kindergärten nicht die geforderte Mindestzahl an Kindern erreichen, soll eine soziale Mitnutzung des Gebäudes ermöglicht werden – etwa durch Vereine oder andere soziale Träger -, damit der Kindergarten erhalten werden kann. „Dafür braucht es Geld“, sagte Grosse-Röthig.

Linke fordert millionenschweren Fonds 

Nach Vorstellungen der Oppositionsfraktion sollten die Kommunen jährlich 100 Millionen Euro aus dem Sondervermögen des Bundes bekommen – auch für „zukunftsfeste Bildungsinfrastruktur“, wie es Grosse-Röthig nennt. Außerdem fordert sie einen Fonds in Höhe von 25 Millionen Euro pro Jahr für die kommenden zehn Jahre. „Mit diesem Geld wollen wir flexible und lebendige Räume erhalten, Umbau fördern und ergänzende Nutzung ermöglichen, wo diese nötig sind, um das Leben im Dorf zu erhalten“, heißt es in einer Mitteilung der Linke-Fraktion.

Daneben hält die Linke ein Kita-Moratorium wie in Sachsen für nötig, das Entlassungen von Fachpersonal in den Kindergärten verhindern soll. In Grundschulen kann sich die Linke jahrgangsübergreifende Klassen vorstellen. Kooperationen von Schulträgern – auch über Kreisgrenzen hinweg – sollen dabei helfen, kleine Grundschulen in ländlichen Regionen zu erhalten. Lehrer sollen flexibler eingesetzt werden können. Die Linke fordert deshalb seit Jahren eine schulstufenbezogene Ausbildung – statt einer schulartbezogenen Ausbildung wie bisher.