Friedhofskultur: Mehr muslimische Bestattungen – Städte erweitern Grabfelder

Die Zahl muslimischer Bestattungen steigt in vielen NRW-Städten. Warum viele Gläubige dennoch die Rückführung in ihre Herkunftsländer bevorzugen.

Die Zahl muslimischer Bestattungen ist in vielen NRW-Kommunen im vergangenen Jahrzehnt deutlich angestiegen. Mehrere Städte werden demnächst ihre Kapazitäten auf den entsprechenden Grabfeldern erweitern oder haben dies jüngst getan, wie eine dpa-Umfrage unter mehreren Großstädten ergab.

Die Mehrheit der gläubigen Muslime wird aber nach Auskunft des Zentralrats der Muslime (ZMD) weiter nach dem Tod in ihre Herkunftsländer überführt. Eine Bestattung auf einem kommunal betriebenen Friedhof stelle für viele nur die zweitbeste Lösung dar, sagte der ZMD-Landesvorsitzende Samir Bouaissa der Deutschen Presse-Agentur.

Steigende Zahlen – auf niedrigem Niveau

Die Zahl der Bestattungen auf den dafür vorgesehenen Grabfluren hat sich beispielsweise in Köln in den vergangenen zehn Jahren ungefähr verdoppelt: 185 waren es 2024. Zum Vergleich: In Köln werden jährlich mehr als 8.500 Menschen bestattet.

In Duisburg hat sich die Zahl muslimischer Bestattungen auf den kommunalen Friedhöfen in den vergangenen zehn Jahren in etwa verfünffacht auf 99 im Jahr 2024. Aufgrund der steigenden Nachfrage seien die Grabfelder Stück für Stück vergrößert und neue angelegt worden. In Dortmund stieg die Zahl von 26 im Jahr 2014 auf 81 zehn Jahre später. In der Ruhrgebietsstadt entstehen aktuell 150 zusätzliche muslimische Grabstellen.

Die Stadt Gelsenkirchen hat erst Anfang Juli ihr muslimisches Gräberfeld erweitert. Seit der Corona-Pandemie sei die Zahl der muslimischen Bestattungen sprunghaft angestiegen – von einigen wenigen pro Jahr auf 29 im Jahr 2023. In Hagen stieg die Zahl muslimischer Beisetzungen in den vergangenen zehn Jahren von 19 auf 70, in Hamm von 20 auf 49. Auch Bielefeld meldet einen Anstieg von 31 im Jahr 2014 auf 53 zuletzt.

Bedarf entwickelt sich, doch stößt auf Hemmnisse

In der muslimischen Bevölkerung sei der Bedarf, auf einem muslimischen Friedhof in Deutschland bestattet zu werden „noch sehr zurückhaltend“, sagt ZMD-Landesvorsitzender Bouaissa, „aber er entwickelt sich“. Bislang werden die Bestattungsmöglichkeiten hierzulande von praktizierenden Muslimen eher nur dann genutzt, wenn eine Rückführung ins Abstammungsland nicht möglich ist – etwa bei Flüchtlingen aus Kriegsgebieten, glaubt Bouaissa. Es sei in nordafrikanisch- und türkischstämmigen muslimischen Familien weiter üblich, sogenannte Sterbeversicherungen abzuschließen, die die Transportkosten für eine Bestattung im Ausland übernehmen.

Wichtiger Grund: Im muslimischen Glauben genießt das Grab ein Ewigkeitsrecht, es sollte möglichst nicht wiederbelegt werden. Für viele Gläubige stelle es entsprechend ein großes Hemmnis dar, das in Deutschland Ruhezeiten von Grabstätten befristet sind, erläutert Bouaissa.

Gespräche zeigten andererseits, dass eine wachsende Zahl der Muslime in dritter oder vierter Generation sich vorstellen könnten, in Deutschland bestattet zu werden – vor allem, wenn dies nach muslimischem Ritus inklusive des sogenannten Ewigkeitsrechts geschehen könne. „Viele haben ja keinen oder noch wenig Bezug in die alte Heimat“, sagt Bouaissa. Da falle es auch zunehmend schwerer, die im Ausland bestatteten Toten mit regelmäßigen Besuchen entsprechend islamischer Vorschriften zu ehren.

Friedhof in muslimischer Trägerschaft soll in Wuppertal entstehen

Einer Erhebung der Goethe-Universität Frankfurt aus den Jahren 2021 bis 2022 zufolge gibt es bundesweit mindestens 327 islamische Grabfelder, mit 91 liegen die meisten davon in Nordrhein-Westfalen, wo auch knapp ein Drittel aller Muslime lebe. In großer Mehrheit befinden sich die Friedhöfe in kommunaler Trägerschaft. Seit einer Reform des nordrhein-westfälischen Bestattungsgesetzes vor elf Jahren wären auch Friedhöfe komplett in muslimischer Trägerschaft möglich – realisiert ist das bislang nicht.

Pläne für die Eröffnung des dann bundesweit ersten Friedhofs in muslimischer Trägerschaft in Wuppertal haben sich immer wieder wegen baurechtlicher und umweltrechtlicher Probleme verzögert. Nun sei der Bauantrag endlich eingereicht, sagt der Wuppertaler Bouaissa, der das Projekt in Funktion als Vorsitzender des Friedhofsträgervereins seit Jahren vorantreibt.

Das Projekt soll nach dem Wunsch Bouaissas Vorbild sein für weitere Friedhöfe in muslimischer Verantwortung. „Heimat ist da, wo die Ahnen bestattet sind“, sagt er. „Viele Muslime fühlen sich ja in Deutschland zuhause. Dass sollte nach meiner Auffassung nicht an dem Punkt enden, an dem man sich mit dem Tod beschäftigt.“