Gesundheit: Die freie Arztwahl wackelt

Die Idee heißt „Primärarzt-Modell“. Was halten hessische Mediziner von dem Vorschlag, der in Berlin diskutiert wird?

Ist die freie Arztwahl bald Geschichte? Für eine bessere Patientensteuerung – und damit am Ende eine schnellere Terminvergabe – soll nach dem Willen der Regierungskoalition im Bund ein sogenanntes Primärarztsystem eingeführt werden. Patienten müssten dann immer erst zu einem bestimmten Arzt gehen, der sie dann an einen Facharzt weitervermittelt. Wie wird das in Hessen aufgenommen? 

Kassenärztliche Vereinigung: eher nein

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen ist skeptisch: „Die meisten Patienten brauchen keine Steuerung“, sagte der KV-Vorstand für Hausärzte, Armin Beck, bei einem Redaktionsgespräch der dpa. Sie könnten sehr gut selbst einschätzen, an welchen Arzt sie sich am besten wenden. 

Der KV-Vorstand für die Fachärzte, Frank Dastych, verweist auf andere Länder: Er kenne kein Land, wo ein Primärarztmodell die Versorgung verbessert habe. Deutschland habe die kürzesten Wartezeiten auf einen Facharzt in ganz Europa – die Menschen hätten aber sehr wenig Geduld. 

Endgültig festlegen will sich die KV jedoch nicht. Noch seien zu viele Fragen offen und zu wenige Details bekannt, wie genau das in der Praxis aussehen soll.

Hausärzte: eindeutig ja

Der Hausärzteverband Hessen beurteilt die Idee prinzipiell positiv. Ohne Steuerung funktioniere das System nicht, sagt Vorsitzender Christian Sommerbrodt. Hausarztpraxen „als steuernde Instanz noch fester verankern – darin sehen wir eine große Chance für unser Gesundheitssystem.“ 

Beispiel Kopfschmerzen: Dahinter könnten neurologische, orthopädische, oder HNO-ärztliche Ursachen stecken, aber auch Blutdruck oder andere internistische Erkrankungen. „Sollen Patienten sich tatsächlich durch all diese Fachgebiete arbeiten?“ fragt Sommerbrodt. Eine „Vorfilterung“ sei sinnvoll, vielleicht können Hausärzte das Problem sogar direkt in der Praxis lösen. „Und genau das soll ein Primärarztsystem leisten.“ 

Ärztekammer: unter Umständen

Die Einführung eines Primärarztsystems wird von der Landesärztekammer Hessen „als Chance für eine koordinierte Patientenversorgung prinzipiell begrüßt“. Entscheidend sei, dass individuelle Bedarfe berücksichtigt werden können, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. „Starre Zuweisungswege lehnen wir ab.“ Ziel müsse die bestmögliche Versorgung unserer Patientinnen und Patienten sein. „Eine gewisse Flexibilität ist dabei unerlässlich.“