Mit einem Reformpaket will die Bundesregierung die Wettbewerbsfähigkeit stärken sowie eine grundlegende Erneuerung von Staat und Verwaltung anstoßen. Das Kabinett verabschiedete am Mittwoch zum Abschluss seiner zweitägigen Klausurtagung in Berlin eine sogenannte „Modernisierungsagenda“ mit mehr als 80 Einzelmaßnahmen. „Wir haben den Anspruch, dass wir wieder an die Spitze kommen“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nach Abschluss der Beratungen.
„Wir haben es wirklich in den letzten Monaten geschafft, eine sehr, sehr gute, sehr kollegiale, sehr offene Arbeitsatmosphäre in dieser Koalition zu schaffen“, sagte der Kanzler. Die Tagung „hat Spaß gemacht und war glaube ich auch sehr effektiv“, ergänzte Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz im Garten der Berliner Villa Borsig. Er betonte dabei „die Bereitschaft, Veränderung maßgeblich voranzutreiben“.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) lobte ebenfalls den Kabinettsbeschluss zur Staatsmodernisierung. „Wir wollen, wir können und wir werden Deutschland voranbringen“, sagte er. Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt auf dem Abbau von Bürokratie, einer Verschlankung der Verwaltung und verstärkter Digitalisierung, auch unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
Die Regierung bekräftigt das Ziel des Koalitionsvertrags, die Bürokratiekosten um 25 Prozent oder 16 Milliarden Euro bis zum Ende der Legislaturperiode 2029 zu senken. Bekräftigt wurden auch Ziele für den Personalabbau in der Ministerial- und Bundestagsverwaltung.
„Heute ist damit der offizielle Auftakt, dass wir das Stück für Stück in die Umsetzung bringen“, sagte Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) zu den Beschlüssen. Er kündigte für Anfang November eine weitere Kabinettssitzung zum Thema Bürokratieentlastung an. Anfang Dezember solle es dann eine weitere „Modernisierungsagenda föderal“ gemeinsam mit den Ländern geben.
Das beschlossene Maßnahmenpaket der Regierung definiert 23 zentrale „Hebelprojekte“, die konkrete Verbesserungen bringen sollen. So sollen Unternehmen künftig binnen 24 Stunden über ein Webportal gegründet werden können. Ein zentrales Internet-Portal beim Kraftfahrtbundesamt soll Bürgerinnen und Bürgern schnelle Kfz-Anmeldungen online ermöglichen.
Der schon von der Vorgängerregierung vorangetriebene Direktauszahlungsmechanismus für Geldleistungen soll kommen. Der Bund kann damit künftig ohne Umwege Geld an die Bürger überweisen, was bisher nicht möglich war. Für die Anwerbung ausländischer Fachkräfte wird eine digitale „Work-and-stay-Agentur“ geschaffen, über die etwa Visumsangelegenheiten oder die Anerkennung von Berufsabschlüssen zentral erledigt werden sollen.
Beschlossen wurden vom Kabinett nach den Worten von Merz auch Aktionspläne zum Bau eines Kernfusions-Kraftwerks in Deutschland sowie zur Beschleunigung der Verfügbarkeit von Wasserstoff.
Klingbeil sagte, die Regierung habe schon „viel geschafft“, doch „es gibt auch noch viel zu tun“. Für die Regierung Merz war das zweitägige Treffen in der Villa Borsig die erste Kabinettsklausur.
Kritisch äußerten sich die Grünen. Ihr Digitalpolitiker Moritz Heuberger sprach von „Stückwerk“ sowie „wolkigen Ankündigungen ohne realistische Finanzierungsangaben“. Statt echter Reformen würden „strukturelle Herausforderungen weiter aufgeschoben“, sagte der Grünen-Politiker Cem Özdemir der Funke Mediengruppe.
Linken-Fraktionsvize Janine Wissler nannte die Regierungsbeschlüsse wie ein zentrales Portal für KfZ-Zulassungen „lächerlich angesichts der Probleme im Land“. Sie forderte einen Reformherbst, der „die Breite der Gesellschaft entlastet“.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) begrüßte die „Modernisierungsagenda“ hingegen in der „Rheinischen Post“ als einen „Befreiungsschlag“.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, sagte der Funke Mediengruppe, die „Modernisierungsagenda“ könne nur „ein erster Schritt“ sein. Er forderte ein insgesamt höheres Reformtempo.
Das Maßnahmenpaket sei „kein Befreiungsschlag“, sondern könne nur Auftakt sein für eine notwendige Reformagenda, erklärte auch der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich. Zudem warnte er davor, die kreditfinanzierten Mittel des Sondervermögens statt für Zukunftsinvestitionen für konsumptive Ausgaben zu nutzen.
Vor einem „planlosen und pauschalen Personalabbau“ warnte der Vorsitzende der dbb-Beamtenbund und Tarifunion, Volker Geyer. „Die pauschale Stellenstreichung gehört selbst gestrichen“, verlangte auch der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Werneke.