Karol Nawrocki: Polens neuer Präsident kommt mit Reparationsforderungen nach Berlin

Polens neuer Präsident Karol Nawrocki kommt mit Forderungen nach Deutschland, die schon im Vorfeld auf Ablehnung stoßen. Ein (anderes) Angebot dürfte ihm aber zusagen.

Für Polens Präsidenten Karol Nawrocki ist sein erster Besuch in Deutschland schwierig, in mehrerlei Hinsicht. Der nationalistische Politiker kommt gut einen Monat nach seinem Amtsantritt nach Berlin, am Dienstag empfangen ihn erst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und anschließend Bundeskanzler Friedrich Merz. Themen dürften die Bedrohung durch Russland und der Ukraine-Krieg sowie die polnischen Reparationsforderungen an Deutschland sein.

Der Besuch des polnischen Staatsoberhauptes wird zum einen von der Bedrohung aus Russland überschattet, die aus Warschauer Sicht immer konkreter wird: Vor wenigen Tagen waren rund 20 Drohnen teils tief in den polnischen Luftraum eingedrungen – aus Sicht Polens und seiner Nato-Verbündeten eine klare Provokation für das gesamte westliche Militärbündnis.

Sechs Millionen ermordete Polen

Die „aktuellen Entwicklungen“ rund um den Drohnen-Vorfall seien „natürlich“ Thema des Gesprächs zwischen Nawrocki und Merz, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius im Vorfeld des Treffens, ebenso wie die weitere Unterstützung der Ukraine. Polen und sein westlicher Nachbar sind sich in diesem Bereich weitgehend einig.

Nawrocki schwebt aber auch ein anderes Gesprächsthema vor, mit dem er in Berlin auf deutlich weniger offene Ohren stößt: Reparationen für das Leid, das Nazi-Deutschland Polen im Zweiten Weltkrieg zugefügt hat. Sechs Millionen Polen, darunter drei Millionen Juden, ermordeten die deutschen Besatzer.

Im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl im Frühjahr, die der rechtsnationale Nawrocki gegen den Pro-Europäer Rafal Trzaskowski gewann, hatte der Historiker Deutschland unter anderem vorgeworfen, auf Polen herabzuschauen und Migranten gezielt in das Land zu schicken. Am 1. September, dem Jahrestag des deutschen Überfalls auf sein Land, forderte Nawrocki „Gerechtigkeit, Wahrheit und klare Beziehungen“ zu Deutschland und fügte an, Polen brauche aber auch „Reparationen des deutschen Staats“.

Antideutsche Ressentiments

Im Jahr 2022 hatte die damalige nationalkonservative polnische Regierung unter Führung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) den Gegenwert der polnischen Verluste im Zweiten Weltkrieg auf 1,3 Billionen Euro beziffert. Der PiS-nahe Präsident Nawrocki könnte das Thema nun in Berlin wieder aufs Tapet bringen – und so antideutsche Ressentiments in weiten Teilen seiner Wählerschaft bedienen, meint der politische Beobachter Wojciech Przybylski.

Die Position der Bundesregierung ist unverändert: Für Deutschland seien die „Themen von Erinnerung und Aufarbeitung“ zwar „nicht abgeschlossen“, sagte Regierungssprecher Kornelius im Juni. Reparationen schuldet Deutschland aber aus Sicht der Bundesregierung Polen nicht mehr. Polen hat nach deutscher Lesart schon 1953 auf Reparationszahlungen verzichtet. Später kam dann der 2+4-Vertrag von 1990 hinzu, mit dem aus Sicht der Bundesregierung jegliche Ansprüche gegenüber Deutschland abschließend geregelt wurden.

Der polnische Präsident vertritt in dieser Frage eine andere Position als die pro-europäische, polnische Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski ist der Ansicht, dass Polen auf weitere Forderungen verzichten sollte, um das so wichtige Verhältnis zum westlichen Nachbarn nicht zu belasten.

Sicherheitsgarantien statt Reparationen

Sikorski hält die Forderungen nach Reparationen zwar auch für legitim. Er hielte es aber für sinnvoller, Berlin aus historischer Verantwortung zu einem stärkeren Einsatz für die Verteidigung Polens zu bewegen.

Offen dafür zeigte sich nun der Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Knut Abraham (CDU). Er lehnte zwar Reparationen ab – stellte im Gegenzug jedoch Sicherheitsgarantien für Polen in Aussicht. Deutschland und Polen stünden „füreinander ein“, dies müsse die Bundesregierung „militärisch und finanziell unterlegen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Mit Blick auf den Besuch von Nawrocki in Berlin fügte er hinzu: „Die Botschaft für den polnischen Präsidenten sollte sein, dass jede Stärkung der Sicherheit Polens eine Stärkung der Sicherheit Deutschlands ist, ob es nun finanzielle Hilfe, Waffensysteme oder Einheiten der Bundeswehr sind.“

Erste Signale hatte Deutschland bereits nach dem Eindringen der russischen Drohnen im polnischen Luftraum gesendet: Die Beteiligung der Bundeswehr am Schutz des polnischen Luftraums wurde um drei Monate verlängert und zwei zusätzliche Eurofighter-Kampfjets wurden an die Nato-Ostflanke verlegt.

Quellen:RND, Nachrichtenagentur AFP