Der BND bekommt heute einen neuen Präsidenten: Martin Jäger, in Krisen erprobt, in der Politik erfahren, soll den Ruf des Geheimdienstes verbessern. Der hat es nötig.
Martin Jäger hat die Welt gesehen. Genau das wollte er immer. Und von diesem Donnerstag an bekommt er noch einmal eine ganz neue Perspektive auf andere Länder.
Der gebürtige Ulmer begann nach Abitur und Wehrdienst als Fotograf und freier Journalist, studierte Völkerkunde und begann 1994 seine Ausbildung für den Auswärtigen Dienst. Seither hat er viele Jahre als Diplomat gewirkt, als Botschafter repräsentiert oder als Sprecher den Außenminister begleitet. Heute Mittag führt ihn Bundeskanzler Friedrich Merz als Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) ins Amt ein.
Martin Jäger hat 6500 Leute unter sich
Jäger, bislang stets in dienender Position, wird jetzt der Chef von rund 6500 Mitarbeitern. Er ist der Nachfolger von Bruno Kahl, der nach neun Jahren an der Spitze des Auslandsnachrichtendienstes auf eigenen Wunsch als Botschafter beim Heiligen Stuhl nach Rom wechselt. Ein Diplomat wird Präsident, ein Präsident wird Diplomat.
Es passt zu Martin Jägers Karriere, dass er gerade in politischen Krisenzeiten an die Spitze des Auslandsnachrichtendienstes rückt: Mit Botschafterposten unter anderem in Kabul, Bagdad und Kiew hat der 61-Jährige schon mehrmals bewiesen, dass er sich auch heikle Jobs zutraut. Als BND-Präsident bekommt er erstmals Personenschutz im eigenen Land.
Die Qualität des BND als Nachrichtendienst ist umstritten. Die Geschwindigkeit des Taliban-Vormarschs in Afghanistan, der 2021 zum überstürzten Abzug der Bundeswehr führte, hatte der Dienst offenbar unterschätzt. Der bisherige Präsident Bruno Kahl wurde 2022 vom russischen Angriff auf die Ukraine ausgerechnet während eines Besuchs in Kiew überrascht, musste dem Bombardement der Hauptstadt im Auto in Richtung Polen entfliehen. Und nur einen Tag bevor die israelische Armee im Sommer erstmals iranische Atomanlagen bombardierte, soll der BND im Kanzleramt hinterlegt haben, dass mit einem Angriff vorerst nicht zu rechnen sei.
Eine der wichtigsten Aufgaben neben dem Umgang mit der russischen Aggression, die sich in Cyber-Angriffen immer stärker auch gegen Deutschland richtet, dürfte für Jäger darin liegen, trotz der derzeit nicht unkomplizierten politischen Beziehungen mit den USA und Israel den Kontakt zu den befreundeten Diensten CIA und Mossad zu bewahren. Deren Informationen gelten für den BND als überaus wichtig, vor allem in der Terrorismusbekämpfung. Einzelne Anschläge sollen in den vergangenen Jahren durch rechtzeitige Hinweise auch aus diesen Quellen verhindert worden sein.
Thorsten Frei, als Chef des Kanzleramtes auch Koordinator der Geheimdienste, weiß aber, dass man selbst etwas zu bieten haben muss, wenn man weiter auf Erkenntnisse anderer Dienste zugreifen will. „Die Zusammenarbeit ist besser, je mehr operative Informationen zur Verfügung stehen und mit anderen Nachrichtendiensten geteilt werden dürfen“, sagte Frei kurz vor Jägers Dienstantritt. Deshalb sollen nicht nur die technischen Möglichkeiten des BND verbessert, sondern auch die rechtlichen Grenzen überprüft werden. Kritiker monieren, nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht habe mit mehreren Urteilen ein effektives Arbeiten des BND zu sehr eingeschränkt.
Friedrich Merz und Martin Jäger sind sich zuletzt wiederholt begegnet: Als Botschafter in Kiew, Jägers letztem diplomatischen Posten, nahm er im Dezember 2024 zunächst den Oppositionsführer Merz am Bahnhof der ukrainischen Hauptstadt in Empfang. Und im Mai dieses Jahres erstmals den Bundeskanzler Merz.
Er hätte Schäuble gerne als Kanzler gesehen
Doch die beiden dürften sich schon sehr viel länger kennen. Jäger ist seit 1994 CDU-Mitglied, er arbeitete zwischen 2014 und 2016 als Sprecher des Bundesfinanzministeriums für Wolfgang Schäuble, Merz‘ Freund und politischen Förderer, später als Staatssekretär im baden-württembergischen Innenministerium für Schäubles Schwiegersohn Thomas Strobl. Jäger wurde einem Kreis von Vertrauten um Schäuble zugerechnet – zu dem auch Jens Spahn gehörte –, der mit der Flüchtlingspolitik Angela Merkels haderte und nichts dagegen gehabt hätte, wenn Schäuble Merkel sogar im Kanzleramt abgelöst hätte. Der aber blieb am Ende loyal.
Auffallend ist, dass es Jäger, einem bekennenden Konservativen, offenkundig gelungen ist, seine persönlichen politischen Ansichten von seinen dienstlichen Verwendungen weitgehend zu trennen. So arbeitete Jäger zu Zeiten der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder für den damaligen Chef des Kanzleramtes, Frank-Walter Steinmeier. Der nahm ihn in der anschließenden ersten Großen Koalition von Angela Merkel als Sprecher mit ins Auswärtige Amt, wo Jäger nicht unmaßgeblich daran beteiligt war, den weithin unbekannten Steinmeier so in Szene zu setzen, dass die SPD ihn 2009 als Kanzlerkandidaten aufstellte.
2013 war es dann FDP-Außenminister Guido Westerwelle, der Jäger nach dessen Rückkehr von einer Zwischenstation als Cheflobbyist des Autokonzerns Daimler auf den Botschafterposten nach Afghanistan entsandte. Später arbeitete Jäger dann drei Jahre als Staatssekretär im Entwicklungsministerium unter dem CSU-Politiker Gerd Müller.
Als Botschafter in Kiew unter der Ampel-Regierung von Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock setzte sich Jäger dann auch persönlich für die deutsche Initiative ein, die Ukraine mit mehr Luftabwehr auszustatten, insbesondere Patriot-Raketen.
Sollte auch Jäger nach dem BND noch einmal Botschafter werden wollen, würde sich Prag anbieten, wo er schon einmal auf Posten war. Jäger ist mit einer in der damaligen Tschechoslowakei geborenen Schriftstellerin verheiratet und hat zwei Söhne.