Eine Offensive beim Wohnungsbau könnte helfen, steigenden Mieten und Kaufpreisen entgegenzuwirken. Stattdessen sind die Bautätigkeiten in Niedersachsen stark zurückgegangen.
Die Lage auf Niedersachsens Wohnungsmarkt bleibt angesichts eines erneuten Rückgangs der Baugenehmigungen angespannt. Wie aus Daten des Landesamts für Statistik hervorgeht, wurden im ersten Halbjahr 2025 lediglich knapp 3.000 neue Wohngebäude mit rund 7.700 Wohnungen genehmigt.
Das bedeutet einen Rückgang um rund 300 Gebäude und 650 Wohnungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Vergleich zu 2022 haben sich die Werte sogar mehr als halbiert: Damals gab es von Januar bis Juni noch für 7.591 neue Wohngebäude mit 17.222 Wohnungen eine Baugenehmigung.
Auch bei den Fertigstellungen zeigt die Kurve nach unten: So wurden 2024 insgesamt 19.352 Wohnungen in Neubauten fertiggestellt. Das war fast ein Viertel weniger als im Jahr zuvor. Schon 2023 waren die Zahlen rückläufig.
Branche beklagt „beispiellosen Absturz“
Der Verband der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen (vdw), der seit gestern einen Verbandstag in Osnabrück veranstaltet, zeigt sich von diesen Zahlen nicht überrascht. „Sie bestätigen vielmehr unsere vielfach geäußerten Befürchtungen“, sagte Verbandsdirektorin Susanne Schmitt. „Der Wohnungsbau in Niedersachsen erlebt einen beispiellosen Absturz.“
Die vdw-Mitglieder haben Schmitt zufolge 2021 noch fast 700 Millionen Euro in den Neubau investiert. Im laufenden Jahr werden es dagegen voraussichtlich nur noch 365 Millionen Euro sein. Und der Verband hat wenig Hoffnung auf eine schnelle Wendung: „Ich rechne damit, dass es noch lange dauern wird, bis wir diese Talsohle verlassen können“, sagte Schmitt.
Landeseigene Wohnungsgesellschaft soll Projekte ermöglichen
Heute (10.00 Uhr) wird Ministerpräsident Olaf Lies auf dem Verbandstag sprechen. Der SPD-Politiker war vor seinem Wechsel in die Staatskanzlei im Mai mehr als sieben Jahre lang als Minister für die Baupolitik zuständig.
Um die Wohnungsnot zu lindern und die Bauwirtschaft wieder anzukurbeln, setzt die rot-grüne Landesregierung auf den Wegfall von Vorschriften in der niedersächsischen Bauordnung sowie eine landeseigene Wohnungsgesellschaft. Die Ende 2023 mit einem Startkapital von 100 Millionen Euro gegründete Gesellschaft Wohnraum Niedersachsen soll Bauprojekte ermöglichen, die ansonsten keine Chance auf Realisierung hätten. Sie wird aber nicht selbst als Bauherrin aktiv.
Verband fordert schlankere Verfahren und mehr Bauland
„Wir brauchen eine breite Allianz, um möglichst schnell mehr Wohnungen für Haushalte mit geringen Einkommen, aber auch für die arbeitende Mitte zu schaffen“, fordert Verbandsdirektorin Schmitt. Die wichtigste Stellschraube dafür seien niedrigere Baukosten. „Dazu müssen Planungs- und Genehmigungsverfahren schlanker und Baustandards rechtssicher abgesenkt werden.“ Außerdem werde unter anderem mehr Bauland für den geförderten Wohnungsbau benötigt, und die Landeswohnungsgesellschaft brauche finanzielle Unterstützung.
Zu den Herausforderungen der Baubranche zählen hohe Material- und Energiepreise, gestiegene Zinsen und der Fachkräftemangel. Mieter beklagen vielerorts stark gestiegene Mieten. Gerade die Zahl der Sozialwohnungen, die einer Belegungs- und Mietbindung unterliegen, sinkt seit Jahren deutlich.