Kultfigur des deutschen Films: Marianne Sägebrecht wird 80 Jahre alt

Marianne Sägebrecht hat mit Weltstars gedreht – und wollte trotzdem nie in Hollywood Fuß fassen. Am Mittwoch wird sie 80 Jahre alt.

In über 80 Film- und Fernsehproduktionen hat Marianne Sägebrecht mitgewirkt – und sich damit als eine der markantesten deutschen Schauspielerinnen etabliert. Am 27. August feiert sie ihren 80. Geburtstag. Ihren Weg vor die Kamera fand sie Ende der 1970er-Jahre, als Filmregisseur Percy Adlon (1935-2024) ihr Talent entdeckte.

Beseelt vom Wunsch, Schauspielerin zu werden

Das Mädchen aus Starnberg, das nach der Schule eine Ausbildung als medizinisch-technische Assistentin sowie eine Fotolehre gemacht hatte und bei einem Neurologen und Psychiater arbeitete, war beseelt vom Wunsch, Schauspielerin zu werden.

Sie hatte früh Verantwortung übernommen, mit 19 geheiratet und eine Tochter bekommen. Vier Jahre lang leitete sie mit ihrem Ehemann und ihrer Schwester das Starnberger Kleinkunstlokal „Spinnradl“, dann kam die Scheidung, und Frau Sägebrecht ging nach München.

Von der Bühne zum Film

Wieder tauchte sie in die Kleinkunstszene ein, wurde Wirtin der legendären Schwabinger Künstlerkneipe „Mutti Bräu“, wo sie alle ein und aus gingen, die Leute vom Film und Theater, auch die vom Zirkus Roncalli. Und Marianne Sägebrecht mittendrin.

Es war nur eine Frage der Zeit, wann sie selbst auf der Bühne stehen würde, und da ihre Tatkraft schon immer mindestens so groß ist wie ihre Hingabe, gründete sie kurz entschlossen das kabarettistische Revuetheater Opera Curiosa und spielte nebenbei Theater, ohne Schauspielausbildung, learning by doing.

Da ist ihr Percy Adlon begegnet. Der sieht dieses offene Gesicht, sieht wie sie brennt und engagiert sie für seinen Film „Herr Kischott“ (1979). Der Anfang ist gemacht.

Zwar wirkt Marianne Sägebrecht kurze Zeit später noch unter dem Pseudonym Barbara Hermani als Ringkämpferin im platten Erotik-Klamauk „Manche mögens prall“ mit, doch man kann sich ja auch mal vertun. Außerdem spielt da auch ein gewisser Chris Lemmon (71) mit, und der ist der Sohn des Hollywoodstars und Oscarpreisträgers Jack Lemmon (1925-2001). Also abgehakt! Schon beim nächsten Film „Die Schaukel“ (1983) ist Percy Adlon wieder der Regisseur.

Kultvideo der Toten Hosen

Im gleichen Jahr drehen Die Toten Hosen ihr erstes Musikvideo „Eisgekühlter Bommerlunder“. Auch sie haben Marianne Sägebrecht in der Münchner Kleinkunstszene entdeckt. Im „Bommerlunder“-Video wird eine Punkerhochzeit dargestellt, den katholischen Pfarrer spielt Fassbinder-Star Kurt Raab (1941-1988), die Braut ist Marianne Sägebrecht. Die Hochzeitsgesellschaft trinkt und singt in der Kirche mit der Band „Eisgekühlter Bommerlunder, Bommerlunder eisgekühlt“, gedreht wird in der oberbayrischen Kirche St. Willibald in Jesenwang bei Fürstenfeldbruck.

Das Video wird zum Meilenstein der deutschen Punkgeschichte, auch weil Kirche und öffentlich-rechtliches Fernsehen den Auftritt als Skandal werten. ARD und ZDF weigern sich, den Clip wegen angeblicher „obszöner Andeutungen“ zu senden, St. Willibald wird danach sogar neu geweiht – und „Eisgekühlter Bommerlunder“ mit Marianne Sägebrecht bekommt Kultstatus, der bis heute anhält.

Erste Filmhits von Marianne Sägebrecht

Da hat sie ihre „Hauptwerke“ überhaupt noch nicht gedreht, doch die hat Percy Adlon schon in der Planung. Diesmal holt er sie als Hauptdarstellerin, 1985 für die Filmkomödie „Zuckerbaby“, 1987 für „Out of Rosenheim“.

In „Zuckerbaby“ spielt sie eine Totengräberin, die so gern „Sugar Baby“ von Peter Kraus hört und sich in die Stimme eines Münchner U-Bahn-Fahrers (Eisi Gulp) verliebt. Da ist Marianne Sägebrecht bereits 40 „und nach damaliger Auffassung alt und unförmig“ („Süddeutsche Zeitung“). Trotzdem erobert sie den deutlich schlankeren und jüngeren Mann, der zudem verheiratet ist.

„Out of Rosenheim“ wird der erfolgreichste Film von Percy Adlon, der nicht nur in Deutschland gut läuft, sondern auch in den US-Programmkinos. Marianne Sägebrecht verkörpert Jasmin Münchgstettner, „ein Engel mit bayerisch-barockem Körperumfang und Trachtenhut“ („Süddeutsche Zeitung“). Sie sagt radebrechend, sie käme „out of Rosenheim“ statt „from Rosenheim“ und bringt in der kalifornischen Mojave-Wüste Schwung in das triste Cafe Bagdad. Dabei verliebt sie sich diesmal (auch wieder erfolgreich) in den Hollywoodstar Jack Palance (1919-2006).

Die beiden Adlon-Filme (dem folgte nicht ganz so beachtet der dritte: „Rosalie Goes Shopping“) haben aus der Schauspielerin Marianne Sägebrecht eine Marke gemacht. Vermutlich ist es eher umgekehrt: Mariannes Charakter prägt die Erfolgsschauspielerin, bezaubert das Publikum mit einer unwiderstehlichen Menschlichkeit. Spielt Marianne Sägebrecht stets sich selbst?

Der internationale Star aus Bayern

Egal wie: Mrs. Sägebrecht ist auf einmal ein internationaler Star, die amerikanische Starfotografin Annie Leibovitz (75) fotografiert sie als bayerische Venus im Alpsee bei Hohenschwangau.

Sie spielt an der Seite von Michael Douglas (80) und Kathleen Turner (71) in „Der Rosenkrieg“ (1989), mit Michel Piccoli (1925-2020) in „Martha und ich“ (1990), mit John Malkovich (71) in „Der Unhold“ (1996), mit Gérard Depardieu (76) in „Asterix und Obelix gegen Caesar“ (1999). Woody Allen (89) will sie für seine Komödie „Schatten und Nebel“ engagieren. Sie lehnt ebenso ab wie Rollen in „Harry Potter“ sowie in „End of Days“ neben Arnold Schwarzenegger (78).

Sie sagt, sie wolle in Hollywood nicht Fuß fassen, das könne sie nicht. „Meine Mutter hat damals mit mir zusammengelebt, ich wollte meine Enkelin aufwachsen sehen. Da bleibe ich doch nicht in Hollywood. Ich nehme nur Rollen an, die sich für mich richtig anfühlen. Ich muss wissen, wer ich bin. Ich gebe ja meine Seele mit rein.“

„Als Schauspielerin menschliche Wesen erschaffen“

In ihrem Heim am Starnberger See hat die selbsternannte „Wanderbärin“ erfolgreiche Bücher wie „Meine Überlebenssuppen“, „Meine Jahreszeiten“ und „Auf dem Weg nach Surinam: Autobiografisches und geheime Rezepte aus meinem Zauberkessel“ geschrieben. Letzteres handelt von einem „Gärtner und Schamanen“: Ihr Großvater gab einst der kleinen Marianne phantastische Geschichten von Mangrovenbäumen, Tieren und Gewürzen auf den Weg. Und sie kümmert sich seit Jahren in einem Hospiz um sterbende Menschen.

Ihren Weg als unverwechselbare Schauspielerin möchte sie auch mit 80 und darüber hinaus weitergehen. Mit einer Botschaft, die nicht gespielt, sondern tief in ihr verwurzelt ist: „Meine Aufgabe ist es wohl, Liebe unter den Menschen verbreiten, zwischen den Nationen und Religionen vermitteln, als Schauspielerin menschliche Wesen erschaffen.“