Flüchtiger Straftäter: Wie die Behörden mit dem geflohenen Amokläufer umgehen

Ein 34-Jähriger ist bei einem Ausgang der Forensischen Psychiatrie in Erlangen geflohen. Er war 2009 an einer Schule in Ansbach Amok gelaufen. Heute soll von ihm keine Gefahr mehr ausgehen.

Ein Straftäter ist nach einem Ausgang aus der Forensischen Psychiatrie in Erlangen seit Samstag verschwunden. Die Polizei fahndet bundesweit sowie mit einem europäischen Haftbefehl nach ihm. Eine Gefahr geht von dem Mann laut Einschätzung der behandelnden Klinik nicht aus. Bei dem 34-Jährigen handelt es sich laut Staatsanwaltschaft um den verurteilten Amokläufer an einer Schule in Ansbach im Jahr 2009. Wie die Behörden mit dem Fall umgehen.

Was genau ist passiert?

Der Mann war am Samstag alleine bei einem genehmigten Ausgang der Forensischen Psychiatrie in Erlangen. Von diesem kam er laut den Bezirkskliniken Mittelfranken zur vereinbarten Uhrzeit nicht zurück. In der Nacht auf Sonntag informierte die Klinik deshalb die Polizei.

Wer ist der Mann?

Laut der Staatsanwaltschaft Ansbach handelt es sich bei dem 34-Jährigen um den verurteilten Täter des Amoklaufs an einer Schule in Ansbach im Jahr 2009. Der damals 18-Jährige war mit einem Beil, Messern und Molotow-Cocktails bewaffnet in die Schule gekommen und hatte neun Mitschüler und einen Lehrer verletzt. 2010 war er wegen versuchten Mordes in 47 Fällen zu neun Jahren Jugendhaft verurteilt worden. Eine Jugendkammer hatte zudem die unbefristete Unterbringung in einer Psychiatrie angeordnet.

Wie gefährlich ist er?

Nach Einschätzung der behandelnden Klinik geht von dem 34-Jährigen keine Gefahr für die Öffentlichkeit aus. Der Mann durfte bereits seit Beginn des Jahres regelmäßig die Forensische Psychiatrie zu Tagesausgängen verlassen. Diese seien Teil der Therapie. Bislang habe es dabei keine Vorkommnisse oder Beanstandungen gegeben. Laut Staatsanwaltschaft wurde zuletzt am 4. Juli dieses Jahres durch die zuständige Strafvollstreckungskammer die weitere Unterbringung des Mannes angeordnet. 

Warum durfte der Mann frei herumlaufen?

Die Unterbringung im sogenannten Maßregelvollzug dient laut bayerischem Sozialministerium auch der Resozialisierung. Lockerungsmaßnahmen wie der unbegleitete Ausgang haben demnach das Ziel, das Leben im normalen alltäglichen Umfeld zu erproben. Aus verfassungsrechtlichen Gründen hätten untergebrachte Menschen einen Rechtsanspruch auf Lockerungen des Vollzugs, sobald zu erwarten sei, dass dadurch die Behandlung und die soziale Wiedereingliederung gefördert werde. Für die Entscheidung über Lockerungen komme es etwa auf den Behandlungsverlauf, die begangene Tat und die Persönlichkeit an. Ist ein unbegleiteter Ausgang geplant, werde neben der Staatsanwaltschaft auch die Polizei einbezogen. 

Wie läuft die Fahndung?

Die Polizei hat zunächst das nähere Umfeld des Mannes und mehrere Adressen überprüft. Aufgrund der Einschätzung der Klinik, dass von dem Mann keine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgeht, gebe es derzeit keine größere Suche nach ihm – etwa mit Hubschraubern oder ähnlichem, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken. Eine Öffentlichkeitsfahndung ist laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft derzeit nicht geplant. Dafür gebe es zudem einen Richtervorbehalt. Alle Beteiligten stünden dazu weiter im Austausch. Die Fahndung sei mit dem europäischen Haftbefehl ausgeweitet worden und umfasse zahlreiche Maßnahmen. Zu Details wollte sich der Sprecher aus ermittlungstaktischen Gründen nicht äußern.

Wie wurde über den Vorfall informiert?

Die Bezirkskliniken Mittelfranken bezeichneten den Vorfall am Montag auf Ihrer Website zunächst allgemein als einen „Lockerungsmissbrauch“ in der Psychiatrie in Erlangen. Die Staatsanwaltschaft Ansbach bestätigte am Nachmittag auf Anfrage, dass es sich bei dem Geflohenen um den Amokläufer von Ansbach 2009 handelt. Die Polizei informierte auf Anfrage über die Fahndungsmaßnahmen, teilte den Vorfall von sich aus aber nicht mit. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken begründete dies unter anderem mit der Einschätzung der Klinik, dass von dem Mann keine Gefahr ausgehe. Zudem sei der Mann bereits über einen längeren Zeitraum ohne Zwischenfälle auf Ausgängen gewesen.

Welche Konsequenzen gibt es?

Sobald der 34-Jährige gefasst wird, muss er laut Staatsanwaltschaft damit rechnen, dass alle Lockerungsmaßnahmen zurückgenommen werden. Im folgenden therapeutischen Aufarbeitungsprozess werde eine neue Risikobewertung vorgenommen. Für diese kommt es demnach auf die Umstände der Rückkehr, den Gesundheitszustand des Mannes und etwaige Straftaten während seiner Flucht an. Der Missbrauch des gewährten Klinikausgangs als solcher sei nicht strafbar, teilte ein Sprecher mit.