Vom Ozempic-Boom könnten auch übergewichtige Haustiere profitieren, oder? Pharmakonzerne bereits tüfteln an Abnehmmedikamenten für Hunde. Aber ist das wirklich nötig?
Es gehört zu den allgemein anerkannten, aber nicht eindeutig belegbaren Weisheiten, dass Hunde ihren Besitzern ähneln und umgekehrt. Manchmal sind es Fell- und Haarfarbe, bei anderen der Hang zum Übergewicht. Wer schnell abnehmen will, greift heute nicht mehr unbedingt zu Hantel und Gemüse-Shake, sondern zur Abnehmspritze. Bei den Vierbeinern helfen bisher nur viel Bewegung und eine reduzierte Kalorienzufuhr. Das könnte sich aber bald ändern.
Wie der britische „Guardian“ berichtet, testen Pharmakonzerne, inwiefern Medikamente mit dem Hormon, das das Hungergefühl senkt, auch Tieren beim Abspecken helfen können. Ein Biotech-Konzern tüftelt an einem Implantat, das schon 2028 auf den Markt kommen könnte. Die Hoffnung ist, dass übergewichtige Haustiere von der Ozempic-Revolution beim Menschen profitieren.
Übergewicht hat bei Haustieren fast dieselben Effekte wie beim Menschen: Die Tiere werden träge, meiden Bewegung und sehnen sich häufiger nach energiereichem Futter und setzen so weitere Pfunde an, konnten Forscher aus München vor einigen Jahren in einer Studie nachweisen. Dazu erhöht sich das Risiko für Diabetes, Harnwegsbeschwerden, Krebs, Arthritis, Herzerkrankungen und Atemproblemen – auch wie beim Menschen. Je nach Untersuchung gelten mehr als die Hälfte aller Hunde und Katzen als übergewichtig – auch in Deutschland.
Abnehmpillen für Haustiere aus mehreren Gründen fragwürdig
Fraglich ist aber, ob es wirklich Abnehmmedikamente braucht, um das Problem in den Griff zu bekommen. Tierschutzorganisationen machen dafür weniger die Tiere selbst als ihre Halter für das Übergewicht verantwortlich. Viele meinen es schlicht zu gut und überfüttern ihre Fellnasen.
Veterinärmediziner raten Tierbesitzern weiterhin dazu, auf bewährte Methoden zu setzen: „Ich würde Besitzern [empfehlen], sowohl zum Wohle ihres Geldbeutels als auch möglicherweise zum Wohle ihrer Haustiere, zunächst zu versuchen, die Ernährung und das Bewegungsprogramm ihres Hundes umzustellen, denn ich denke, wir wissen, dass dies sicher und wirksam sein kann, wenn es richtig gemacht wird“, zitiert der „Guardian“ die Tierärztin und Expertin für Hundegenetik von der Universität Oxford, Eleanor Raffan.
Sollte das nichts bringen, könnten Abnehmmedikamente mit einem Hunger unterdrückendem Hormon durchaus eine Option sein. Zumindest würde es den Haltern den altbekannten Hundeblick ersparen, bei dem manche schwach werden und dem felligen Liebling noch ein Leckerli in die Schnauze drücken. „Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass man sich viel mehr anstrengen muss, wenn man einen sehr futter-freudigen Hund hat“, sagt auch Tierärztin Raffan.
Die Appetitzügler könnten das tierische Betteln unterbinden, aber der Appetit ist auch ein wichtiger Gradmesser dafür, ob es einem Tier gut geht. Kritiker befürchten, dass Abnehmpillen für die Tiere genau deshalb gefährlich werden könnten, weil die Halter dann nicht mehr erkennen, ob ihr Tier krank ist. Fressen Tiere nichts, können sie außerdem zusätzliche Krankheiten entwickeln.
Der Geschäftsführer des Pharmakonzerns Okava, das ein Abnehmimplantat für Tiere entwickelt, meint, dass das Medikament lediglich die Futterbettelei und „Futterbesessenheit“ der Vierbeiner unterbindet, die Tiere aber ansonsten angemessene Portionen verspeisen, wie sich für gesunde Tiere gehört. Die ersten Tierversuche sollen bald stattfinden, sodass die Implantate in drei bis vier Jahren auf dem Markt verfügbar sein können.
Bleibt noch die ethische Frage, ob menschliche Abnehmmethoden wirklich auf Tiere übertragen werden müssen – zumal es günstigere Methoden gibt. Aber muss jeder Halter selbst entscheiden.