Eltern und Kinder fiebern dem ersten Schultag entgegen. Doch in vielen Klassenzimmern wird weiter improvisiert, denn trotz Rekordeinstellungen bleibt der Lehrkräftemangel in Niedersachsen bestehen.
Wenn am Donnerstag die Sommerferien enden, beginnt in Niedersachsen für fast 900.000 Schülerinnen und Schüler das neue Schuljahr. Was für viele Kinder ein Tag voller Aufregung ist, bedeutet für Schulleitungen und Lehrkräfte häufig: improvisieren, Lücken schließen, Stundenpläne anpassen. Denn trotz Rekordzahlen beim Personal bleibt der Lehrkräftemangel ein drängendes Problem.
„Nie zuvor hatten wir so viel Personal an unseren Schulen. Und dennoch ist der Fachkräftemangel längst nicht gebannt“, sagte Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne). Zwar stellt das Land in diesem Jahr voraussichtlich 772 mehr Lehrkräfte ein als aus dem Dienst ausscheiden. Doch immer mehr Schüler und zusätzliche Aufgaben wie Ganztagsbetreuung, Deutsch als Zweitsprache, Integration und Inklusion sorgen dafür, dass der Bedarf weiter steigt.
1.414 neue Lehrerstellen sind besetzt
Im Schuljahr 2025/26 werden nach Ministeriumsangaben rund 898.000 Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen unterrichtet – rund 16.000 mehr als im Vorjahr. Bis 2034 soll die Zahl sogar auf mehr als eine Million anwachsen. Erst danach werde sich der Geburtenrückgang in mutmaßlich sinkenden Schülerzahlen bemerkbar machen. Eingeschult werden am Samstag rund 82.000 Kinder, das sind etwa 900 mehr als im Vorjahr.
Zum Schuljahresstart hat das Land 1.600 Stellen für Lehrkräfte ausgeschrieben, 1.414 davon sind bislang besetzt. Für 2026 plant die Landesregierung weitere 1.350 Einstellungsmöglichkeiten. Ziel sei es, allen Absolventinnen und Absolventen ein Einstellungsangebot zu machen.
Trotz dieser Bemühungen stagnierte die Unterrichtsversorgung zuletzt bei 96,9 Prozent. Der Wert gibt an, ob es für das Soll an Pflichtstunden genügend Lehrkräfte gibt. In ländlichen Regionen und anderen Schulformen als dem Gymnasium ist die Lage dabei deutlich angespannter.
CDU fordert Quereinsteiger-Offensive
Oppositionsführer Sebastian Lechner forderte mehr Tempo für eine bessere Unterrichtsversorgung. „Viele Worte helfen jetzt nicht mehr, sondern es braucht Taten“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende.
Die To-Do-Liste aus Sicht der CDU: eine leichtere Anerkennung ausländischer Lehrerabschlüsse, eine Reform der Ausbildung von Lehrkräften hierzulande und mehr Zeit für Unterricht statt bürokratische Aufgaben. Auch finanzielle Anreize für Lehrkräfte in Teilzeit, ihre Stunden aufzustocken, könnten helfen, die Unterrichtsversorgung zu verbessern, sagte Lechner. Zudem müsse die Landesregierung eine Offensive für mehr Quereinsteiger starten.
„Mir ist es lieber, meine Kinder bekommen eine Unterrichtsstunde von einem Quereinsteiger erteilt, als gar keine“, sagte der CDU-Chef. Wer heute in Niedersachsen in den Lehrerberuf wechseln wolle, bekomme aber als Erstes einen Defizitausweis ausgestellt. „Alles, was Sie nicht können, wird Ihnen da aufgeschrieben“, kritisierte der CDU-Chef. „Da freut man sich, da ist man total motiviert.“
Stiftung: Assistenzen sollen Lehrer von Bürokratie entlasten
Weniger Bürokratie für die Lehrkräfte fordert auch die arbeitgebernahe Stiftung Niedersachsenmetall. Abrechnungen von Klassenfahrten oder Gefährdungsanalysen für Ausflüge gehörten nicht auf den Schreibtisch von Lehrkräften, monierte Geschäftsführer Olaf Brandes: „Alle Schulen brauchen hier dringend Unterstützung durch Verwaltungsassistenz.“
Siebtklässler bekommen 2026 kostenlose Tablets
In puncto Digitalisierung der Schulen treibt Rot-Grün derweil die Umsetzung eines SPD-Wahlversprechens voran: Vom Schuljahr 2026/27 an sollen die Siebtklässler in Niedersachsen kostenlos Leih-Tablets bekommen – bis 2031 plant die Regierung dafür rund 800 Millionen Euro ein. Ministerin Hamburg sieht darin ein Werkzeug für attraktiven Unterricht. Wie die Tablets später eingesetzt werden, sollen die Schulen selbst entscheiden können.
Die Opposition kritisiert jedoch fehlende Konzepte des Landes für die Wartung und pädagogische Nutzung der Tablets, ebenso wie für die Fortbildung der Lehrkräfte. Auch die Bildungsgewerkschaft GEW warnte bereits vor zusätzlichen Belastungen durch die Tablets, sollte es kein geschultes IT-Personal geben.
Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) hatte erklärt, das Ziel der Leih-Tablets sei es nicht, das analoge Lernen schlicht ins Digitale zu übertragen, sondern neue Möglichkeiten für gezielteren Unterricht zu schaffen.
Land belässt Entscheidung über Handynutzung bei den Schulen
Zur anhaltenden Diskussion über ein Handyverbot an Grundschulen sagte CDU-Chef Lechner, Niedersachsen brauche eine einheitliche gesetzliche Regelung, damit die Schulen rechtliche Sicherheit hätten, wenn sie den Schülern die Handynutzung untersagten. Rot-Grün setzt dagegen auf Empfehlungen statt Vorschriften.
Ministerpräsident Lies hatte gestern gesagt, Grundschulen seien nicht der richtige Ort für Handys. Ein pauschales Verbot plant die Landesregierung aber nicht. Stattdessen sollen die Schulen weiterhin selbst über ihre Regeln zur Mediennutzung entscheiden können.