Starkregen: Ein Jahr nach dem Unwetter: „Es wird langsam wieder“

Unterspülte Straßen, vollgelaufene Häuser, gestapelte Autos: Die Bilder nach dem schweren Unwetter im Landkreis Kassel im Sommer 2024 sind in Erinnerung geblieben. Wie sieht es dort heute aus?

Der Fuldebach plätschert friedlich und glucksend von sich hin. Es ist nur schwer vorstellbar, dass er sich vor einem Jahr in einen reißenden Strom verwandelt hat, der den Trendelburger Ortsteil Gottsbüren in Teilen verwüstet hat. „Es wird langsam wieder“, sagt Trendelburgs Bürgermeister Manuel Zeich (parteilos) ein Jahr nach dem heftigen Unwetter im nördlichen Landkreis Kassel. 

In der Nacht auf den 2. August 2024 verursachte extremer Starkregen Überschwemmungen und Sturzfluten im Ort und in benachbarten Kommunen. Betroffen waren neben Trendelburg vor allem Hofgeismar, Bad Karlshafen, Reinhardshagen und Wesertal. Der kommunale Schaden beläuft sich nach aktuellen Schätzungen von vier der fünf besonders betroffenen Kommunen auf rund acht Millionen Euro. 

Große Spendenbereitschaft

Mehr als vier Millionen Euro davon entfallen allein auf Trendelburg. Bis heute ist der Ortskern von Gottsbüren von den Ereignissen gezeichnet. Dort stand das Wasser teilweise meterhoch, davon zeugen noch die Wasserränder an den Häusern. Straßen wurden weggespült, Autos durch die Kraft des Wassers übereinandergestapelt, Häuser liefen voll mit Schlamm, Brückengeländer wurden weggerissen.

Seither heißt es anpacken. Eine Straße, die am Tag nach dem Unwetter einem Kraterfeld glich, ist nun mit Schotter bedeckt. An vielen Ecken wird gebaut und ausgebessert. Der Ortsplatz wirkt noch karg. „Wir machen alles der Reihe nach“, sagt Zeich. Die Ortsdurchfahrt etwa werde bis Ende 2026 gemacht. 

„Vom Land bekommen wir finanzielle Unterstützung und auch sonst ist die Spendenbereitschaft groß“, berichtet er. Mehr als 250.000 Euro an Spenden seien eingegangen. „Und es gehen immer noch welche ein.“ Sie kämen zu 100 Prozent den betroffenen Bewohnern zu Gute, betont Zeich.

Bürgermeister: „Angst ist geblieben“

Ein paar ältere Bewohner seien nach dem Unwetter nicht in ihre Häuser zurückgekehrt, berichtet er. Geblieben sei die Angst. „Wenn der Himmel dunkel wird und Gewitter aufziehen, bekommen manche Panik“, sagt der Bürgermeister. 

„Mir ist in diesem Jahr nicht nach Urlaub“, erzählt Anwohnerin Claudia Roß. „Vielleicht auch, weil wir am Tag vor dem Unwetter in den Urlaub gefahren sind und dort dann den Anruf bekommen haben. Dann sind wir sofort heim gefahren.“ Ihr Haus sei unterspült worden. „Bis heute arbeiten wir daran, die Schäden zu beseitigen.“ 

Dabei liege die Kraft in der Geduld, sagt Zeich. „Wer zu früh mit den Arbeiten begonnen hat, bekam es mit Schimmel zu tun und musste von vorn anfangen.“ Das vergangene Jahr habe alle Betroffenen viel Kraft und Nerven gekostet. „Dennoch: Wir haben Glück im Unglück gehabt“, meint er. „Ich bin sicher, wäre das Unwetter ein paar Stunden früher gekommen, hätten wir Tote gehabt. Dann wären Menschen noch in den Keller gegangen, um ihr Hab und Gut zu retten und wären womöglich dort eingeschlossen worden.“

Auch in anderen Kommunen hohe Schäden

Hohe Schäden sind auch in der Gemeinde Wesertal entstanden. Bürgermeister Cornelius Turrey (SPD) schätzt sie auf rund 2,5 Millionen Euro. „Die Summe der Schäden bei Privaten lässt sich für uns nicht ermitteln. Teilweise liegen die Einzelschäden an Gebäuden über 200.000 Euro“, berichtet er. 

Einzelne Schäden träten immer noch zutage. „Insbesondere kleinere Schäden an Straßen und Wegen sind noch nicht vollständig aufgenommen.“ Viele Schäden seien inzwischen aber auch beseitigt. „Einige Maßnahmen bedürfen der Beantragung von Fördermitteln und Genehmigungen von Fachbehörden. Hier wird noch einige Zeit ins Land gehen, bis alles wieder schön ist“, sagt Turrey.

Wie will sich die Kommune künftig vor entsprechenden Unwetterereignissen schützen? Maßnahmen wie die Teilung eines Baches und die Umlegung der Regenwasserkanalisation seien in Planung, sagt Turrey. Sie unterlägen aber einem aufwendigen Planungs-, Finanzierungs- und Genehmigungsprozess. „Alle Maßnahmen können die Folgen solcher Ereignisse bestenfalls abmildern, aber nicht vollständig verhindern. Da ist uns die Natur überlegen“, betont er. Viele Privateigentümer hätten Eigenvorsorge getroffen.

Schutz gestaltet sich schwierig

Ähnlich sieht es in Hofgeismar aus. „Es steht noch die Reparatur einer Leitung an, welche aktuell ausgeschrieben wird. Der Großteil der städtischen Schäden ist aber abgearbeitet“, sagt Bauamtsleiter Dirk Lindemann. Die Kosten beliefen sich auf etwa 450.000 Euro.

Der Schutz vor zukünftigen Umweltereignissen gestalte sich schwierig, erklärt er. Der Blick sei aber durch die Ereignisse nochmals geschärft worden. Insbesondere für den Stadtteil Hombressen liefen Planungen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes mit diversen kleineren Maßnahmen. Dieser Stadtteil sei beim letzten Unwetter zwar weitestgehend verschont geblieben, aber grundsätzlich wegen vier durchquerender Fließgewässer und Hanglagen am Ortsrand latent gefährdet. 

Zudem stehe in Hofgeismar und auch in den umliegenden Orten die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen wegen des Themas der Erosion im Fokus. „Landwirte und Behörden arbeiten gemeinschaftlich an der Optimierung der Bewirtschaftung, der Planung, welche Früchte auf welchen Flächen sinnvoll sind, der Wiederherstellung von Feldgehölzinseln und so weiter“, erläutert Lindemann. 

Auch die Hilfe für den Eigenschutz der Bürger nehme zu. Es würden Gewässerbegehungen etwa zur Ufergestaltung durchgeführt. „All dies geht aber nur in kleinen Schritten.“ Der große Wurf, der mit Einsatz von Geld und Bauarbeiten schnell die Probleme löse, sei nicht erkennbar beziehungsweise machbar.

Angebot für Starkregengefahrenkarte

„Ein vollständiger Schutz wird sicherlich auch in Zukunft nicht möglich sein“, sagt auch der Bürgermeister von Bad Karlshafen, Marcus Dittrich (parteilos). Die Ereignisse würden jedoch an verschiedenen Stellen berücksichtigt. 

Dazu zähle etwa die Ausstattung der Stadt und der Feuerwehr für den Notfall und die Planung von Straßensanierungen. „Auch liegt beispielsweise ein Angebot für eine Starkregengefahrenkarte bereits vor, im Rahmen der jüngsten Bürgerversammlung wurde auch die Bevölkerung weiter für das Thema sensibilisiert.“

Auch in Bad Karlshafen konnte eine Vielzahl der Schäden bereits beseitigt werden – „an einigen Stellen zunächst nur notdürftig oder noch nicht komplett“, sagt Dittrich. Die Schadenshöhe liege nach aktuellem Stand bei der öffentlichen Infrastruktur bei etwa 750.000 Euro.

Land will weiter unterstützen

Das Land Hessen leistete nach dem Unwetter Nothilfe. Laut dem Innenministerium wurden bis zuletzt Schäden in Höhe von 810.000 Euro geltend gemacht. Finanzhilfen im Umfang von über 280.000 Euro wurden Mitte Dezember an Geschädigte ausgeschüttet – 57.000 Euro davon übernahm der Kreis Kassel.

Darüber hinaus hätten der Landkreis Kassel sowie die fünf Kommunen Anträge auf Gelder aus dem Landesausgleichsstock für die kommunalen Hochwasserschäden gestellt, teilte das Ministerium mit. Mitte Juni erhielten sie daraus erste Teilzahlungen in Höhe von rund 2,4 Millionen Euro.

Und das Land kündigt an, die Kommunen weiter unterstützen zu wollen. „Wir lassen die Region auch künftig nicht im Stich; sobald genaue Kostenaufstellungen vorliegen, sind weitere Unterstützungsleistungen aus dem Landesausgleichsstock vorgesehen“, erklärt  Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU).