Begeisterung klingt anders: Sie hätten einen Hurrikan erwartet, aber nur ein Unwetter bekommen. So kommentieren Wirtschaftsvertreter den Handelsdeal zwischen der EU und den USA.
Die deutsche Wirtschaft sieht das Handelsabkommen der Europäischen Union mit den USA kritisch. Die Vereinbarung sende ein fatales Signal, weil die EU schmerzhafte Zölle in Kauf nehme, sagt Wolfgang Niedermark vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) über den erreichten Deal.
„Denn auch ein Zollsatz von 15 Prozent wird immense negative Auswirkungen auf die exportorientierte deutsche Industrie haben.“ Positiv sei zumindest, dass eine weitere Eskalationsspirale zunächst abgewendet worden sei.
„Wer mit einem Hurrikan rechnet, ist für ein Unwetter dankbar.“
Das sieht auch der Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands VCI, Wolfgang Große Entrup, so: „Wer mit einem Hurrikan rechnet, ist für ein Unwetter dankbar.“ Dennoch seien die vereinbarten Zölle zu hoch. „Europas Exporte verlieren an Wettbewerbsfähigkeit.“
Nach wochenlangen Verhandlungen zwischen der EU und den USA hatten sich US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Schottland auf ein Handelsabkommen geeinigt. Dieses sieht einen US-Zoll von 15 Prozent auf die meisten EU-Importe vor – auch für Autos, für die derzeit ein Zoll von 27,5 Prozent gilt, sowie für Halbleiter und Pharmaprodukte, für die viel höhere Zölle im Raum gestanden hatten. Auf Stahl und Aluminium bleibt der Zollsatz bei 50 Prozent.
Noch ist nicht jedes Handelsdetail geklärt
Von der Leyen sagte, die EU habe erreicht, dass die Zölle auf eine Reihe strategischer Produkte auf beiden Seiten abgeschafft würden, etwa für bestimmte Flugzeugteile, Chemikalien oder Agrargüter. Einige Details des Abkommens müssten noch in den nächsten Tagen und Wochen geklärt werden, sagte die Chefin der EU-Kommission.
Der deutsche Außenhandelsverband nannte die Zolleinigung mit den USA einen „schmerzhaften Kompromiss“. Jedes Prozent Zoll sei ein Prozent zu viel, erklärte der Präsident des Branchenverbands BGA, Dirk Jandura. „Der Zollaufschlag bedeutet für viele unserer Händler eine existenzielle Bedrohung.“ Auch wenn jetzt zunächst Sicherheit über die Handelsbedingungen herrsche, würden sich Lieferketten verändern und Preise erhöhen. „Die Einigung mit den USA wird hier im Land spürbare Auswirkungen haben. Sie wird Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze kosten.“
Der BDI kritisierte die weiter hohen Zölle auf Stahl und Aluminium. Das sei ein zusätzlicher Tiefschlag. „Das setzt eine Schlüsselbranche weiter unter Druck, die ohnehin vor enormen Herausforderungen im internationalen Wettbewerb und durch die Transformation steht“, erklärte Niedermark. Die EU müsse nun zeigen, dass sie mehr sei als ein Binnenmarkt. „Wir brauchen eine Strategie für eine wettbewerbsfähige und resiliente Wirtschaft sowie den politischen Willen, im globalen Machtgefüge selbstbewusst mitzuspielen.“
Auf Ruhe sollte niemand vertrauen
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, warnte vor weiteren Störfeuern aus Washington. „Darauf vertrauen, dass nun Ruhe herrscht, kann man nicht“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Trump nimmt die Zolldrohung nie vollends vom Tisch.“ Auch deshalb wäre eine kraftvollere Verhandlungsstrategie der EU sinnvoll gewesen.