Mansfield Cumming, der erste MI6-Chef, nutzte Sperma als unsichtbare Tinte, um geheime Botschaften zu übermitteln. Seine skurrilen Ideen inspirierten später James Bond.
Unsichtbare Tinte wurde seit der Antike benutzt, um geheime Botschaften zu übermitteln. Schon im ersten Jahrhundert n. Chr. beschrieb Plinius der Ältere in seiner „Naturalis Historia“ derartige Methoden. Dabei kamen organische Stoffe wie Zitronensaft zum Einsatz, die nach dem Trocknen unsichtbar wurden. Erhitzte man sie vorsichtig, erschienen sie wieder. Beim Erhitzen karamellisierte der Zitronensaft und wurde braun. Einen ähnlichen Effekt erzielten Zwiebelsaft, Essig oder Pflanzensäfte. Durch die Zugabe von Säuren vor dem Erhitzen ließ sich das Schriftbild verbessern. Wichtig war, dass die Substanz organische Bestandteile enthielt, spurlos trocknete und dünnflüssig genug war, um damit zu schreiben.
Doch was, wenn kein Zitronensaft zur Hand war? Diese Frage stellte sich Sir Mansfield George Smith-Cumming, der erste Leiter des britischen Secret Intelligence Service (SIS, später MI6). Cumming, das Vorbild für „M“ in der James-Bond-Reihe, wählte selbst den Buchstaben „C“. Sein Meisterspion Sidney Reilly gilt als Inspiration für James Bond. Mit seinen exzentrischen Ideen stand Cumming auch Pate für den Erfinder „Q“. Von ihm stammte die Idee, während des Ersten Weltkriegs menschliches Sperma als unsichtbare Tinte zu verwenden.
Sperma war leicht verfügbar
Der Plan hatte Vorteile: Der Eiweißanteil im Sperma ist hoch, weit höher als in Urin oder Speichel. Das „Material“ ist kostengünstig und die Agenten mussten keine verdächtige Spezialtinte mitführen. Da die Agenten meist Männer waren, war diese Tinte stets verfügbar. Das doppeldeutige Motto lautete: „Every man his own stylo“ – jeder Mann hat seinen eigenen Stift dabei.
Die Methode setzte sich jedoch nicht durch. Angeblich verströmte die Tinte nach einiger Zeit einen unangenehmen Geruch – wahrscheinlicher waren moralische Bedenken. Vermutlich hätte die Vorstellung von Agenten, die jeden Abend masturbierten, um Berichte zu verfassen, dem Ansehen des Geheimdienstes geschadet. In den Büros wurden Mitarbeiter, die Cummings Methode verwendeten, zum Gespött der Kollegen. Die Macher der James-Bond-Reihe wussten schon, warum sie diese Idee nicht in den Filmen aufgriffen.
Innovation und Irrsinn
Cumming experimentierte auch mit anderen Ideen, wie Mikrofotografie, um Nachrichten auf winzige Punkte zu verkleinern, oder dem Verstecken von Botschaften in Zigarrenetuis und Schuhabsätzen. Viele der späteren Einfälle in den James-Bond-Romanen gehen auf Cummings exzentrische Methoden zurück. Er versteckte Geheimbotschaften in Alltagsgegenständen wie Zigarren, Büchern oder Kleidung, etwa indem er Nachrichten in die Nähte von Kleidungsstücken einnähte.
Bei Gesprächen mit Rekruten zückte Cumming gern mal ein Messer und stieß es sich in sein Bein. Der Legende nach hatte der passionierte Autofahrer 1914 nach einem Unfall seinen Fuß selbst abgetrennt, um sich aus dem Wrack zu befreien und zu seinem sterbenden Sohn zu kriechen. Der Messerstich konnte ihm so nichts anhaben, denn er trug eine Holzprothese – ein Test, um die Reaktion der Kandidaten zu prüfen. Cumming suchte Abenteurer, Kriminelle oder Künstler, die Probleme unkonventionell lösten. Er testete sie mit Rätseln oder psychologischen Spielen, um ihre Spontaneität zu prüfen, und schrieb Berichte in grüner Tinte – eine Marotte, die zur Tradition wurde.
1911 klagte er jedoch: „Meine gesamte Belegschaft besteht aus Schurken.“ Seine unkonventionellen Mitarbeiter waren nämlich sehr anfällig für Korruption und wenig zuverlässig. Der Ruf des Geheimdienstes war legendär, die Arbeit jedoch oft stümperhaft. So wollte Cumming im Ersten Weltkrieg versteckte Waffenarsenale ausheben, die die Deutschen in Großbritannien angelegt haben sollten. Ein aussichtsloses Unterfangen, denn solche Lager existierten gar nicht.
Lange Tradition
Cummings unkonventionelles Denken prägte lange die Geheimdienste. Die CIA versuchte etwa, Fidel Castro mit ausgefallenen Methoden zu ermorden. Dem starken Raucher wollte man präparierte Zigarren unterjubeln – mal mit Gift, mal mit Drogen oder Sprengstoff gefüllt. Seine Männlichkeit sollte durch ein Mittel, das Bartausfall verursachte, untergraben werden. Als Taucher sollte er durch eine als Muschel getarnte Seemine getötet werden. Cumming hätten diese Pläne sicher gefallen – auch wenn sie nicht erfolgreich waren.