Angesichts der langen Wartezeiten für eine Psychotherapie fordern die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) eine Meldepflicht für freie Termine und eine zentrale Terminvergabe. „Wir haben keinen Mangel an Psychotherapieplätzen. Aber gerade schwer psychisch Kranke haben Probleme, einen Therapieplatz zu finden“, sagte die Vize-Chefin des GKV-Spitzenverbandes, Stefanie Stoff-Ahnis, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Donnerstag). Die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung sieht die Forderungen hingegen kritisch.
„Heute ist es vielfach so, dass psychisch Erkrankte eine Praxis nach der anderen anrufen, auf den Anrufbeantworter sprechen und dann zu Hause auf den Rückruf hoffen, der selten kommt“, berichtete Stoff-Ahnis. „Diesen unverantwortlichen Zustand wollen wir nicht länger hinnehmen.“ Der GKV-Spitzenverband fordere deshalb einen besser organisierten Zugang zu psychotherapeutischer Versorgung.
Festgehalten sind die Forderungen in einem Positionspapier, dass der Verwaltungsrat des Verbands Ende Juni beschlossen hatte. Die Kassen wollen demnach die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gesetzlich dazu verpflichten, freie Behandlungskapazitäten an die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen zu melden. Konkret spricht der Verband von einer „angemessenen“ Anzahl an Sprechstunden und der Hälfte der Behandlungsplätze.
Insbesondere schwer psychisch Erkrankten sei es nicht zuzumuten, „alleine einen Therapieplatz ohne direkte Hilfe und unterstützende Orientierung zu suchen“, betonte Stoff-Ahnis gegenüber dem RND.
Die Terminservicestellen sind per Gesetz verpflichtet, binnen vier Wochen Termine für die sogenannte psychotherapeutische Sprechstunde – in dieser wird der Behandlungsbedarf eingeschätzt – zu vermitteln. Das wird laut Positionspapier des Spitzenverbands aber nicht erreicht: 2023 wurde mit 54 Prozent mehr als die Hälfte der Anfragen gar nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Frist vermittelt.
Auch die Vermittlung einer weiterführenden Behandlung ist laut Verband unbefriedigend. So seien 2023 nur 365.000 Termine angeboten worden, das seien auf die aktuell 40.000 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bezogen nur neun Termine pro Jahr.
Kritisch sieht die Forderung nach einer zentralen Terminvergabe die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV). „Die Bedeutung der Terminservicestellen (TSS) wird überschätzt“, sagte deren Bundesvorsitzender Gebhard Hentschel der Nachrichtenagentur AFP. „Nur fünf Prozent unserer Patientinnen und Patienten werden über die TSS vermittelt – der Großteil kontaktiert unsere Praxen direkt.“
Betroffene würden dabei die psychotherapeutische Sprechstunde „in einer angemessenen und zumutbaren Zeit“ erreichen. Hentschel kritisiert, dass die Terminservicestellen nicht den Schweregrad einer psychischen Erkrankung und die Dringlichkeit einer Behandlung feststellen können. Es handele sich um „eine Verteilungsstelle“.
Der Verbandschef fügte hinzu: „Eine zentrale Verteilung schafft jedoch keine zusätzlichen Kapazitäten, sondern bedeutet eine neue bürokratische Hürde, gerade für schwer psychisch erkrankte Menschen.“
Psychotherapie ist eine Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenversicherung: Die Kosten für eine entsprechende Behandlung und damit für bis zu 300 Therapiestunden werden vollständig übernommen. Laut Positionspapier gaben die gesetzlichen Krankenkassen 2014 noch 2,5 Milliarden Euro für Psychotherapie-Behandlungen aus. 2023 waren es bereits 4,6 Milliarden Euro – ein Anstieg um über 80 Prozent.
Die neue Bundesregierung will die psychotherapeutische Versorgung vor allem „durch niedrigschwellige Online-Beratung“ und „digitale Gesundheitsanwendungen“ stärken, wie es im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt.