Umstrittene Wandelanleihe: Sonderbericht zur Northvolt-Förderung

Hat die Landesregierung das Parlament umfassend genug vor der Entscheidung über die Northvolt-Förderung informiert? Diese Frage ist nun ein Fall für den Landesrechnungshof.

Die umstrittene Förderung des mittlerweile insolventen schwedischen Batterieherstellers Northvolt ist nun ein Fall für den Rechnungshof in Schleswig-Holstein. Mit den Stimmen von SPD, FDP und SSW beauftragte der Landtag bei diesem einen Sonderbericht. Oppositionspolitiker forderten die Landesregierung auf, Verantwortung in der Sache zu übernehmen. Die Koalitionsfraktionen von CDU und Grünen enthielten sich bei der Abstimmung über den Antrag.

„So lange die Regierung weiter relativiert und ausweicht, so lange bleiben wir dran“, sagte die SSW-Wirtschaftspolitikerin Sybilla Nitsch. Angesichts des Schadens sei eine sorgfältige Aufarbeitung notwendig. „Dies ist keine parteipolitische Spitze.“ Die Frage sei, auf welcher Informationsgrundlage die Landesregierung gearbeitet habe. Mit Blick auf das Gutachten des Beratungsunternehmens PwC, das die Abgeordneten bei ihrer Entscheidung nicht kannten, stehe die Frage im Raum: „Hatten wir als Abgeordnete eine tragfähige Entscheidungsgrundlage?“

Offene Fragen

Der SPD-Wirtschaftspolitiker Kianusch Stender kritisierte, „die Menschen in Schleswig-Holstein haben jetzt 300 Millionen mehr Schulden als vorher und das kann man nicht als Erfolg verkaufen“. Es bleibe die Frage, warum das Parlament nicht umfassend und transparent informiert worden sei. Solche Fehler dürften sich nicht wiederholen, deshalb sei die Aufarbeitung durch eine neutrale Instanz nötig.

Ex-Wirtschaftsminister Bernd Buchholz verwies auf einen Bericht des Bundesrechnungshofs, der von systemischem Versagen spreche. „Dass Sie sich hier erdreisten, sich über Feststellungen des Bundesrechnungshofs in einer solchen Art und Weise überhöhen zu dürfen, das ist nicht nur unparlamentarisch, das ist auch dieser Regierung nicht würdig“, sagte der FDP-Politiker. Dass die mit dem Projekt verbunden Risiken nicht marktüblich waren, zeige der Blick in die Unterlagen.

Zu jeder Bürgschaft des Landes gehöre die Gesamtfinanzierung als Grundvoraussetzung, sagte Buchholz. „In der Kabinettsvorlage heißt es: „Die Gesamtfinanzierung des Ansiedlungsvorhabens am Standort Heide ist nicht gesichert.“ Nach Ihrer eigenen Bürgschaftsrichtlinie hätten Sie eine Bürgschaft gar nicht vornehmen dürfen.“ Es habe ein bekanntes Sonderrisiko vorgelegen, das dem Parlament verheimlicht worden sei.

Regierung

Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) erklärte im Parlament, „alle Informationen zu Northvolt liegen auf dem Tisch“. Die Landesregierung stehe einer Prüfung in Sachen Northvolt offen gegenüber. „Die Entscheidung damals war richtig. Sie wurde kritisch abgewogen.“ Es habe damals keine Anhaltspunkte gegeben, dass sich die Dinge im Bereich E-Mobilität und im Unternehmen so entwickeln, wie sie es später getan hätten.

„Ja, wir haben eine Entscheidung für die Entwicklung der Westküste getroffen, unser Land nach vorne zu bringen“, sagte Madsen. Das habe die Koalition nicht leichtfertig getan. Natürlich hätten manche Risiken besser dokumentiert werden können. „Aber das sage ich Ihnen auch noch einmal: Das hätte aus meiner heutigen Auffassung auch nichts an der Entscheidung aus 2024 geändert.“ Das Land müsse alles tun, um den Standort Heide im Schaufenster zu halten für künftige Investoren.

CDU-Fraktionschef Tobias Koch erwartet von dem Sonderbericht keine neuen Erkenntnisse. Dieser werde all das noch einmal bestätigen, was in den vergangenen Monaten in Finanzausschuss-Sitzungen diskutiert worden sei. „Im Grunde liegen bereits jetzt alle Informationen auf dem Tisch.“ Wie Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter betonte er, als Koalition dieser Aufklärung nicht im Weg stehen zu wollen.

Folgen

Seit Monaten streiten Regierung und Opposition darüber, ob das Land auf Basis der vorliegenden Daten eine Bürgschaft für Northvolt hätte übernehmen dürfen. Konkret geht es um Informationen der Landesregierung an den Finanzausschuss vor dessen entscheidender Sitzung im Januar 2024, in der die Abgeordneten einstimmig den Weg frei für eine Wandelanleihe von der staatlichen Förderbank KfW für den geplanten Fabrikbau bei Heide in Höhe von rund 600 Millionen Euro frei machten.

Bund und Land bürgten für die Wandelanleihe jeweils zur Hälfte. Hinzu kamen 20 Millionen Euro für Zinsen und Verfahrenskosten. Die FDP hat eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht wegen eines möglichen Verstoßes der Landesregierung gegen Unterrichtungspflichten gegenüber dem Landtag angekündigt.

Die EU-Kommission genehmigte Anfang 2024 zudem direkte Fördermittel in Höhe von rund 700 Millionen Euro (137 Millionen Euro vom Land, 564 vom Bund). Dieses Geld wurde bislang aber nicht ausgezahlt. Im März 2024 startete der Fabrikbau. Doch Northvolt rang in der Folge mit immer höheren Schulden, musste Tausende Arbeitnehmer in Schweden entlassen, Expansionspläne auf Eis legen und in den USA in einem kostspieligen Verfahren vorübergehend unter Gläubigerschutz gehen. Am 12. März folgte in Schweden die Insolvenz an. 

Nach früheren Informationen von Insolvenzverwalter Mikael Kubu wollen mittlerweile aber mehrere Interessenten aus dem nicht-schwedischen Ausland den Batteriehersteller übernehmen. Die komplexen Verhandlungen würden voraussichtlich noch einige Wochen andauern.