Experten und Gewerkschaftler rechnen mit juristischen Schritten gegen die neue Verwaltungsvorschrift zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst. Vor Pauschalverdächtigungen wird gewarnt.
Die Entscheidung, AfD-Mitgliedern den Weg in den öffentlichen Dienst zu verschließen, ist für die rheinland-pfälzische Landesregierung nach Ansicht von Politikwissenschaftler Uwe Jun nicht ohne Risiko. Man könne davon ausgehen, dass der Schritt juristisch überprüft werde, sagte Jun der Deutschen Presse-Agentur in Trier. Halte die Entscheidung juristisch nicht stand, könnte die AfD dies für sich nutzen.
„Es ist für keine Regierung erfreulich, wenn sie eine wichtige Entscheidung korrigieren muss“, sagte Jun. Die Kritik der CDU sei nicht ganz vom Tisch zu weisen, dass man die finale gerichtliche Überprüfung hätte abwarten können, ob die AfD als rechtsextreme Partei einzustufen ist. Das Land habe mit der Ankündigung ein klares Zeichen setzen wollen, „dass man gegen jegliche Formen von politischem Extremismus einschreiten möchte“.
Wann tritt die neue Regelung eigentlich in Kraft?
Die neue Verwaltungsvorschrift zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst gilt ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung. Der ist voraussichtlich noch im Juli. Das genaue Datum steht laut Innenministerium noch nicht fest.
Wer steht noch auf der Liste extremistischer Organisationen?
Diese Liste als Anlage zur Verwaltungsverordnung ist mit dem Stand 4. Juni aktualisiert worden und mehrere Seiten lang. Sie umfasst außer rechtsextremen Gruppierungen auch linksextreme Gruppen, Reichsbürger und Selbstverwalter sowie islamistische Vereinigungen. Dazu kommen extremistische Gruppen mit einem Auslandsbezug wie etwa die PKK oder die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP).
Rechtsextremismus: Unter den rund 20 Organisationen sind verbotene wie Combat 18. Aber auch die Burschenschaft „Germania Halle zu Mainz“ sowie der „Freundeskreis Westerwald“ und die „Kameradschaft Zweibrücken / Nationaler Widerstand Zweibrücken“ sowie die „Kameradschaft Rheinhessen“.Linksextremismus: Dazu gehören neben linksextremistischen autonom-antifaschistische Gruppierungen beispielsweise auch die DKP und die KPD sowie die Interventionistische Linke (IL)Islamismus: Darunter fallen die meisten Gruppierungen auf der Liste. Unter anderem werden al-Qaida, Al-Shabab, DawaFFM, und die Muslimbruderschaft (MB) genannt.
Wie wird die Verschärfung der Einstellungspraxis bewertet?
Der Beamtenbund dbb stellt sich hinter die Entscheidung: „Wir vertreten die Auffassung, dass derjenige, der nicht mit beiden Füßen auf dem Boden des Grundgesetzes steht, nichts im öffentlichen Dienst zu suchen hat“, erklärt Vize-Landeschef Robert Tophofen.
Dass auf der Liste auch die AfD aufgeführt wird, sei womöglich rechtlich anfechtbar. Aber als Signal in der Sache und Diskussionsanstoß unterstützte der Beamtenbund, der offiziell „dbb beamtenbund und tarifunion“ heißt, das Vorgehen. Sowohl Angestellte, aber vor allem die Beamten ständen in einem besonderen Treueverhältnis zum Land. Deswegen seien die Verfassungstreue und die unumstößliche Verankerung auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung unabdingbar.
Gewerkschaften warnen vor Pauschalverdächtigungen
Auch von der Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz (GdP) gibt es Unterstützung. Die Verschärfung der Regeln dürfe aber nicht zu einem Klima des Misstrauens führen, mahnte GdP-Landeschefin Aline Raber. „Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, insbesondere in sicherheitsrelevanten Bereichen brauchen Rückhalt und das Vertrauen ihres Dienstherrn.“ Pauschalverdächtigungen schwächten das Rückgrat des Staates.
Die pauschale Annahme eines Dienstvergehens bereits aufgrund einer Mitgliedschaft in einer als verfassungsfeindlich eingestuften Partei oder Vereinigung könnte zudem rechtlich und praktisch problematisch sein, warnte Raber. Die GdP sehe den Punkt Beweisumkehr für Beschäftigte etwas kritisch.
Ähnlich argumentiert auch die Gewerkschaft der Polizei im Deutschen Gewerkschaftsbund: „Nicht jeder, der sich politisch einer bestimmten Partei, deren Verfassungsfeindlichkeit noch nicht gerichtlich bestätigt wurde, zuordnet, stellt automatisch eine Gefahr für die Verfassungsordnung dar“, mahnt die Landesvorsitzende Noriko Nagy.
Wie viele Beschäftigte im Öffentlichen Dienst gibt es im Land?
Im öffentlichen Dienst in Rheinland-Pfalz arbeiten 248.635 Beschäftigte. Darunter sind 105.040 Beamte, Richter und Soldaten sowie 143.595 Angestellte und Arbeiter, wie der Beamtenbund mitteilte.
Wie viele Parteimitglieder hat die AfD in Rheinland-Pfalz?
Die Alternative für Deutschland (AfD) zählte Ende vergangenen Jahres nach eigenen Angaben genau 3.271 Mitglieder in Rheinland-Pfalz. Das waren 802 mehr als vor Jahresfrist und entspricht einem Plus von 32,48 Prozent. Ende 2022 hatte die AfD erst 1.702 Mitglieder im Land.
Noch kein Disziplinarverfahren gegen AfD-Mitglied
Am Verwaltungsgericht Trier habe es bislang kein Verfahren gegeben, in dem es um „die Entfernung aus dem Dienst“ wegen einer AfD-Mitgliedschaft gegangen sei, teilte das Gericht auf Anfrage mit. Das Gericht ist in Rheinland-Pfalz unter anderem für disziplinarrechtliche Streitigkeiten im öffentlichen Dienst zentral zuständig.