Markenstreit: Goliath gegen David: Wenn große Unternehmen kleine abmahnen

Mal geht es um ein gelbes Dreieck, mal um Tatzen, Krokodile oder Hirschgeweihe. Große Unternehmen verteidigen ihre Marken sehr entschieden. Trifft das kleine Firmen, geht das schnell ins Eingemachte.

Eine Rauchwolke in Form eines knubbeligen Krokodils mit großen Glupschaugen, auf seinem Rücken fünf ebenso knubbelige Broccoliröschen – das alles auf blauem oder blassgrünem Grund. Nie im Leben hätte Felix Huynh aus Mühlacker (Enzkreis) gedacht, dass er sich damit so großen Ärger einhandeln würde mit einer weltweit bekannten Marke. Der französische Konzern Lacoste, Markenzeichen grasgrünes Krokodil, hat den 36-jährigen Gründer der im Aufbau befindlichen Firma „Broccodile“ abmahnen lassen. Obwohl, wie jedenfalls Huynh es sieht, der Entwurf dem berühmten Lacoste-Krokodil in keiner Weise ähnelt. „Ich dachte, das ist ein Scherz.“ 

Über 5.000 Euro sollte er zunächst bezahlen, berichtet Huynh, der Streitwert liege bei rund 500.000 Euro. Außerdem sollte er die zuvor beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingetragene Marke „Broccodile“, unter der er T-shirts oder Produkte zum Cannabis-Konsum in einem Webshop vertreiben möchte, löschen. Beides tat er nicht – entgegen dem Rat seiner Anwälte. „Ich wollte nicht klein beigeben, das kann ich meinen Mitarbeitern nicht vorleben“, sagt der 36-Jährige trotzig und ließ die von den Lacoste-Anwälten gesetzte Deadline verstreichen. Nun steht eine Klage im Raum, befürchtet er. Lacoste äußerte sich auf Anfrage nicht

Finanziell steht oft viel auf dem Spiel

Huynh geht es wie so manchem kleinen Unternehmer, der sich mit der Macht großer Unternehmen konfrontiert sieht. Denn dass große, bekannte und finanzstarke Unternehmen kleine Firmen wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Markenrechtsverletzungen abmahnen, ist Alltag und üblich – und auch wichtig für Inhaber bekannter Marken, wie Jens Klaus Fusbahn, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, erläutert. Diese müssten ihre Marken grundsätzlich aktiv verteidigen und verhindern, dass sie verwässert würden. „In Einzelfällen wird dann sicher auch übers Ziel hinausgeschossen“, sagt er. 

Leidvoll hatte das ein anderes kleines Unternehmen erfahren: Die Stuttgarter Firma Selva Negra Spirits geriet ungewollt in Clinch mit dem Kräuterlikörhersteller Jägermeister. Vor etwa drei Jahren flatterte den beiden Jungunternehmern Sebastian Dresel und Laurin Lehmann eine Abmahnung ins Haus, weil ihre Firma einen Agavenschnaps mit einem Hirschgeweih-Logo vertrieb. Streitwert rund 250.000 Euro – und damit „eine Situation, die uns hart getroffen hat“, wie Dresel erklärt. „In dieser Zeit hatten wir oft das Gefühl, dass finanzielle Stärke bewusst genutzt wird, um kleinere Unternehmen unter Druck zu setzen.“ 

Rechtsstreitigkeiten seien für kleine Unternehmen natürlich häufig mit nicht stemmbaren Kosten verbunden, sagt Patentanwalt Alexander Bulling, der an der Universität Stuttgart lehrt. Allerdings schätzten auch kleinere Unternehmen ihre Rechtslage häufig nicht richtig ein und verkämpften sich.

Große Unternehmen verteidigen ihre Marken entschieden

Für Selva Negra Spirits ging die Sache gut aus – nach langem Warten. Kürzlich entschied das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) zugunsten der Stuttgarter und betonte, „dass die bloße Darstellung eines Hirschs oder einer hirschähnlichen Figur nicht automatisch eine Markenrechtsverletzung darstellt“, wie Dresel erzählt. Trotz Prozesskostenerstattung aber blieb sein Unternehmen auf erheblichen Kosten sitzen. 

So mancher Markenstreit, bei dem kleinere Unternehmen gegen große Firmen Erfolg hatten, machte in den letzten Jahren Schlagzeilen: So setzte sich vor dem OLG Hamburg nach jahrelangem Rechtsstreit eine schwäbische Spielzeugfirma durch, die ein gelbes Dreieck auf ihre Spielzeugbagger geklebt hatte, das dem Logo des amerikanischen Baumaschinenkonzerns Caterpillar ähnelte. Der Elektronik-Gigant Apple zog einst gegen ein kleines Bonner Café zu Felde, das einen Kinderkopf in einen Apfel eingebettet hatte, zog seinen Widerspruch dann aber zurück. Und der bekannte Outdoor-Ausrüster Jack Wolfskin lenkte seinerzeit im Streit mit kleinen Händlern um angebliche Markenrechtsverstöße ebenfalls ein. 

Experten haben Verständnis für Interessen von Markeninhabern

Es kann aber auch anders kommen: Lacoste etwa gewann im Jahr 2015 vor dem EU-Gericht gegen eine polnische Firma mit Kaiman als Logo. Auch wenn sich dessen Schwanz nach unten biege, während der des Lacoste-Krokodils nach oben zeigt, sei die Verwechslungsgefahr zu groß, befand das Gericht.

Fusbahn äußert Verständnis für die Interessen von Markeninhabern. Die Besonderheit bekannter Marken liege darin, dass diese auch über die für die Marke geschützten Waren und Dienstleistungen hinaus einen Wiedererkennungswert und Bekanntheitsschutz hätten. Auch in Fällen, wo das angegriffene Logo nur wenig Ähnlichkeit habe mit dem der abmahnenden Partei, könne somit trotz allem die Verwechslungsgefahr erheblich sein. 

Das sieht auch Bulling so. Bekannte oder berühmte Marken stellten einen ganz erheblichen monetären Wert für Firmen dar. „Verwässert die Marke, wird sie rasch weniger wert.“ 

Beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) kommt es indes immer seltener zu Widersprüchen von Rechteinhabern älterer Marken gegen die Eintragung einer neuen Marke. Das liege zum einen daran, dass sich die Recherchemöglichkeiten nach eingetragenen Marken verbessert habe, erklärt ein Sprecher. Zum anderen klärten Markeninhaber Konflikte auch schon früh im Vorfeld. Von fast 50.000 im vergangenen Jahr eingetragenen Marken seien rund 2.200 mit einem Widerspruch angegriffen worden. 

Broccodile-Gründer Huynh bleibt nur: Abwarten. Klickt man auf die Website, steht da „We are coming sooon“ (Wir kommen bald). Noch ist „Broccodile“ beim DPMA eingetragen – mit dem Vermerk „Widerspruchsverfahren läuft“.