Humor: Poser, Schrauber, Rollkommando – eine Typologie der E-Bike-Fahrer

Deutschlands Radwege sind ein Gesellschaftslabor. Fast jeder fünfte Deutsche fährt E-Bike – als Fortbewegungsmittel und Statussymbol. Wer da alles so unterwegs ist …

Im Jahr 2024 rollten rund 15,7 Millionen E-Bikes über deutsche Straßen – ein Rekord. Seit 2014 hat sich die Zahl der elektrischen Zweiräder verachtfacht. Doch der Boom birgt auch Schattenseiten: Neben der wachsenden Zahl von E-Bikes tauchen immer wieder Fälle von illegal getunten Highspeed-Modellen auf. Im Februar 2025 stoppte die Polizei in Kaiserslautern einen 31-Jährigen, dessen selbstgebautes E-Bike auf dem Prüfstand eine atemberaubende Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h erreichte. Solche Extremfälle sind zwar die Ausnahme, doch das E-Bike ist längst ein Statussymbol – wie früher das Auto. Der Radweg wird zunehmend zum Spiegelbild der Gesellschaft. Eine Typologie der E-Bike-Fahrer.

Rentner-Rollkommando

Über 60 Jahre alt und die Früchte des Ruhestands genießen – sanft gleitend, ohne jede Anstrengung. Sie fahren meist paarweise oder in Gruppen und, kurioserweise, alle mit denselben Modellen – wie früher im Manta-Autoclub. Besonders beliebt: Tiefeinsteiger wie das Superdelite 5 von Riese & Müller – mit Doppelakku, ab 7999 Euro.

Mit Doppelakku für Tiefeinsteiger, ab 7999 Euro

Fahrstil: Wie Vögel im Schwarm in geordneter Formation – es geht darum, sich spazieren fahren zu lassen, mit dem erhabenen Gefühl, die aussterbende Gattung des unelektrisierten Radfahrers beim Anstieg lässig zu überholen.

Zitat: „Nächstes Jahr wollen wir den Jakobsweg fahren.“

Damenkränzchen unterwegs mit E-Bike
© SolStock

Der Pendler

Männer ab 40, die die Nutzung ihres E-Bikes mit rein ökologischen Gründen erklären, dabei aber vor allem die traurige Bilanz ihrer Fitness verschleiern – es wäre absolut unmöglich für sie, den 15 Kilometer langen Arbeitsweg ohne Akku-Unterstützung zu bewältigen. Das mussten sie sich spätestens eingestehen, als der Akku mal schlappmachte auf halber Strecke und sie das E-Bike schiebend nach Hause brachten.

Fahrstil: Umwege oder Experimente sind tabu – jede Ampelphase wird exakt eingeplant. Für E-Bike-Pendler ist der Arbeitsweg kein gemütlicher Ausflug. Das zeigen auch die Klemmen unten an der Anzughose, die dafür sorgen, dass die Hosenbeine sauber bleiben.

Zitat: „Fangt schon mal ohne mich an.“

E-Bike Pendler im Business-Anzug.
© Eder Paisan

Das E-Lastenrad als Streitwagen

Mütter und Väter, die mit Lastenrädern, die an römische Kampfwagen aus Ben Hur erinnern, ihre drei Kinder morgens durch den Berufsverkehr zur Schule bringen. Früher kämpften Gladiatoren um Ruhm – heute kämpfen diese Eltern um die letzte freie Lücke für ihre doch sehr sperrigen E-Lasten-Gefährte vor der Grundschule. Besonders beliebt ist das Modell „Urban Arrow Family“, bei dem bis zu vier Kinder in einer großen, wetterfesten Schaumstoffbox vorn am Rad Platz finden.

Fahrstil: Rustikal. Nach dem Motto: Platz da – hier sitzen Kinder im Cockpit!

Zitat: „Wir haben unser Auto abgeschafft. Den nächsten Umzug machen wir auch nur mit dem E-Lastenrad. Ganz easy.“

E-Bike-Lastenrad als Familienkutsche
© AJ_Watt

Der E-Bike-Poser

Seitdem sie bei Instagram gesehen haben, wie Leonardo DiCaprio in New York mit einer neuen Modelfreundin einen Ausflug auf einem E-Bike macht, haben sie sich ebenfalls eins zugelegt. Klar ist, dass das E-Bike eher für die Fotogalerie gedacht ist als für das eigentliche Fahren. Denn, kein Witz: Laut Umfragen entstehen die meisten E-Bike-Selfies nicht während der Tour, sondern im heimischen Innenhof. Muss ja bei Instagram nach etwas aussehen. Besonders beliebt ist das Modell Stromer ST1, ein Schweizer Premium-E-Bike, das viele Hollywoodstars gerne nutzen.

Fahrstil: eine Art von Laufsteg-Radeln. Lässig, mit einem Blick auf den Fahrtwind für das nächste Selfie.

Zitat: „Das ist kein Rad. Das ist eine Experience.“

Der Schrauber

Vorwiegend männlich, mit einem Hang zum Einzelgängertum und der größten Freude am illegalen Tunen seines E-Bikes. Er verbringt viel Zeit in internationalen E-Bike-Tuning-Foren, wo er sich mit anderen High-Speed-Junkies über den Einbau von Dongles austauscht, die das Geschwindigkeitssignal manipulieren, oder über Chips, die per App gesteuert werden, um E-Bikes auf 45 km/h oder mehr zu bringen.

Fahrstil: Risikofreudig bis lebensmüde. Der Schrauber hat die Freude, im Stadtverkehr den Krankenwagen zu überholen – und das natürlich mit einem Tuning, das gesetzlich an der Grenze balanciert.

Zitat: „Legal ist relativ.“