Während die Digitalisierung an Schulen den Unterricht bereichert, bedeutet sie für die Lehrkräfte nicht selten digitalen Stress. In Kassel will man Abhilfe schaffen.
Netzwerkausfall, Druckerprobleme, das Aufspielen von Updates: Mit der zunehmenden Digitalisierung an Schulen fallen auch zunehmend technische Probleme an. Beheben müssen diese Mängel in der Regel die Lehrkräfte selbst. „In den Schulen führt die Digitalisierung zu erheblicher Mehrarbeit und zu digitalem Stress“, sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen, Thilo Hartmann.
Lehrkräfte bereiteten ihren Unterricht in der Erwartung vor, dass die Technik funktioniert. „Wenn sie nicht funktioniert, steht oftmals niemand als Ansprechpartner zur Verfügung. Dann müssen sich die Lehrkräfte selbst darum kümmern, Technikprobleme zu lösen.“
An vielen Schulen übernähmen vor allem diejenigen den IT-Support, die IT-affin seien. „Einige wenige Lehrkräfte, die sich ein wenig auskennen, machen das nebenher“, sagt Hartmann. An einigen Schulen würden dafür Studienräte zum Oberstudienrat befördert und bekämen etwas mehr Geld. An anderen Schulen gebe es eine geringfügige zeitliche Entlastung. „An vielen gerade kleineren Schulen läuft das aber on top.“
Zeitintensive Wartung der Geräte
An einer Schule mit etwa 1.000 Schülern und mehr als 100 Lehrkräften gebe es entsprechend viele Geräte. Das sei eine Doppelbelastung, die nicht einfach so nebenher geleistet werden könne. „In einem Unternehmen hätte man dafür eine eigene IT-Abteilung. Das haben wir in den Schulen nicht“, sagt Hartmann.
„Es fängt schon damit an, dass in den Computerräumen immer mal wieder Geräte ausfallen. Es gibt technische Probleme, mal funktioniert das Internet nicht.“ Es müsse immer jemand vor Ort sein, der das schnell beheben kann, damit der Unterricht wie geplant stattfinden kann. Die Geräte müssten zudem auf dem neuesten Stand gehalten werden, Updates müssten aufgespielt, Daten- und Systemschutz gewährleistet sein. Das sei oftmals sehr zeitintensiv und erfordere die Einarbeitung in neue Systeme und viele Absprachen.
Kassel stellt IT-Supporter ein
In Kassel soll das Projekt „IT-Supporter@School“ die Lehrkräfte entlasten. Die Stadt hat dazu zwölf IT-Supporter eingestellt, die jeweils sechs Schulen betreuen. „Die Schulen haben uns gespiegelt, dass sie die technische Unterstützung so nicht mehr leisten können“, sagt Bürgermeisterin und Bildungsdezernentin Nicole Maisch (Grüne). „Das sind ja Lehrer, die keine Informatiker sind oder eine entsprechende Ausbildung haben, sondern das neben ihrer normalen Tätigkeit noch mitmachen.“
Er helfe bei Problemen, die vor Ort schnell gelöst werden können, erklärt IT-Supporter Thorben Schröder. Seine Kollegen und er seien Ansprechpartner für die Schulen bei Problemen und Wünschen, kämen regelmäßig und natürlich auch im Notfall in die Schulen.
„Wenn mein iPad kaputt ist, habe ich ein Problem“
„Wir haben mittlerweile fast in allen Klassenräumen digitale Boards. Mein Unterricht ist mittlerweile größtenteils im iPad. Wenn mein iPad kaputt ist, habe ich ein Problem“, sagt Carsten Horstmann, der stellvertretende Schulleiter der Johann-Amos-Comenius-Schule. Der Vorteil der IT-Supporter sei, dass sie sich sofort um Probleme kümmern könnten, während die Lehrkräfte nicht immer gleich Zeit gehabt hätten.“Das ist sehr viel angenehmer geworden.“
Die digitale Infrastruktur an Schulen sei auch dank der großzügigen Unterstützung durch Bund und Länder im Rahmen des Digitalpaktes I geschaffen worden, sagt Maisch. Nun ginge es darum, die 55 Schulen in Kassel zu unterstützen, um digitalen Unterricht verlässlich zu ermöglichen. „Die Lehrkräfte sollen wissen, dass die Technik laufen wird. Unser Anspruch ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer ihre Arbeit machen können und das Drumherum nicht zu viel Kraft der Pädagoginnen und Pädagogen absorbiert.“
Ministerium: „Fördern technischen Support“
„Die Digitalisierung an Schulen spiegelt die Komplexität wider, die mit der Einführung moderner Technologien verbunden ist“, erklärt das hessische Kultusministerium. In Themen wie die Anpassung bestehender Strukturen, die Förderung von Kompetenzen bei allen Beteiligten und die Sicherstellung von Ressourcen seien bereits große Fortschritte gemacht worden. „Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung der Technologien ist allerdings in diesen Themen auch weiterhin Arbeit erforderlich, um diese Weiterentwicklung erfolgreich zu begleiten.“
Der Zweck der Digitalisierung sei es, Lehrkräfte zu unterstützen, sowohl bei Verwaltungstätigkeiten als auch in ihrer pädagogischen Arbeit, damit jede Schülerin und jeder Schüler möglichst individuell gefördert werden könne. „Die durch das Land und durch die Schulträger zur Verfügung gestellten digitalen Anwendungen entlasten aus Sicht des Ministeriums die Lehrkräfte an vielen Stellen. Im Bereich der IT-Ausstattung fördert das Land technischen Support, der die Lehrkräfte im alltäglichen Einsatz entlastet.“
Die Digitalisierung an Hessens Schulen habe in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gemacht. „Insbesondere auch weil das Land zusätzliche Landesmittel aufgebracht hat, um das Investitionsvolumen für schulische IT-Infrastruktur im Digitalpakt deutlich zu erhöhen.“ Hierdurch würden die Schulen flächendeckend mit einer IT-Infrastruktur ausgestattet, die modernen, digital unterstützen Unterricht hessenweit ermögliche.
GEW sieht Fortschritte, aber auch Handlungsbedarf
„Die Digitalisierung an Schulen hat im Zuge der Corona-Pandemie einen riesigen Schub erfahren. Trotzdem sind wir noch lange nicht da, wo wir gerne wären“, sagt GEW-Landeschef Hartmann. Es müsse dringend Geld bereitgestellt werden, um in den kommenden Jahren den Sanierungsstau zu beheben. Die Ausstattung komme nämlich in die Jahre. „Die Geräte sind jetzt langsam an einem Punkt, wo sie ersetzt werden müssen in den nächsten Jahren. Dafür gibt es noch überhaupt keinen Plan, wie das finanziert werden soll“, gibt Hartmann zu bedenken.
Die GEW fordert zudem einen Ausbau der Medienbildung. Digitale Medienkompetenz sei mehr als einen Computer zu benutzen und im Internet surfen zu können. „Digitalität ist kein Selbstzweck, sondern Teil einer Medienbildung. Sie muss kritisch hinterfragt werden“, sagte Hartmann. Auch bräuchten alle Schulen eine gleichwertige digitale Ausstattung.