EU-Antrittsbesuch: Merz in Brüssel: Grenzkontrollen kein deutscher Alleingang

Deutschland verschärft seine Grenzkontrollen – und wird dafür von den EU-Nachbarländern kritisiert. Eine Sache macht der neue deutsche Bundeskanzler bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel deutlich.

Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel für die verstärkten Kontrollen und Zurückweisungen an deutschen Grenzen verteidigt. Die Zurückweisungen stünden im Einklang mit europäischem Recht, sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Ratspräsident António Costa. „Darüber sind auch unsere europäischen Nachbarn vollumfänglich informiert. Es gibt hier keinen deutschen Alleingang.“ Erste Nachbarländer Deutschlands hatten zuvor Kritik am Vorgehen Berlins geäußert.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz: „Die Mitgliedstaaten können Grenzkontrollen an ihren Binnengrenzen einführen.“ Das müsse allerdings im Rahmen der geltenden EU-Vorschriften erfolgen und zeitlich begrenzt sein. Außerdem müssten die Kontrollen in enger Abstimmung mit der Kommission und den Nachbarstaaten erfolgen. 

Die neue Bundesregierung will mit zusätzlichen Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerbern gegen unerwünschte Migration vorgehen. Nach einer Anweisung des neuen Bundesinnenministers Alexander Dobrindt (CSU) zu schärferen Regeln an den deutschen Grenzen Mitte der Woche laufen verstärkte Kontrollen. 

Merz pocht auf Dublin-Verordnung

Merz verweist auf die sogenannte Dublin-Verordnung, die aktuell das Aufenthaltsrecht in der EU regelt. Nach dieser müssten Migranten im Land des Erstzutritts Asyl beantragen, sagte Merz. „Insofern ist die Beantragung eines Asylverfahrens, unabhängig davon, ob es nach europäischem oder nach deutschem Asylrecht geht, an einer deutschen, europäischen Binnengrenze in der Regel nicht möglich.“ Deutschland habe – mit Ausnahme der Schweiz – keine EU-Außengrenze. Die Schweiz ist Mitglied des Schengen-Raums, in dem Passkontrollen ausgesetzt sind. 

Gleichzeitig macht der Kanzler deutlich, dass sich die deutschen Maßnahmen keinesfalls negativ auf den europäischen Binnenmarkt auswirken sollen. „Ich möchte das auch allen Staats- und Regionschefs in der Europäischen Union sagen, die in diesen Tagen vielleicht die Sorge haben, dass es hier zu Einschränkungen kommt. Wir wollen unter allen Umständen vermeiden, dass es zu Einschränkungen im Grenzverkehr kommt“, sagte der CDU-Politiker.

Mit EU-Recht vereinbar?

Aus Sicht von Kritikern sind Zurückweisungen vermutlich nicht mit EU-Recht vereinbar und zudem eine Gefahr für den eigentlich grenzkontrollfreien EU-Binnenmarkt. Nach den EU-Bestimmungen der Dublin-Verordnung darf die Bundespolizei Asylbewerber etwa nicht einfach an der Grenze zurückweisen. Vielmehr müssen die deutschen Behörden ein kompliziertes und in der Praxis oft schlecht funktionierendes Verfahren in Gang setzen, um sie an den zuständigen EU-Staat zu überstellen – also dorthin, wo sie in die EU eingereist sind. 

Es gibt allerdings eine Art Notlagenklausel. Danach sind den Nationalstaaten Zurückweisungen an den Grenzen ausnahmsweise gestattet, wenn dies für „die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit“ erforderlich ist.

Doch gab es auch Zustimmung zum geplanten Kurswechsel in der deutschen Asylpolitik. Österreich etwa begrüßte die Bestrebungen Deutschlands im Kampf gegen die Schleppermafia und illegale Migration. Gleichzeitig pochte das Innenministerium in Wien auf die Einhaltung geltenden EU-Rechts. 

Merz trifft drei EU-Spitzenvertreter

Merz reiste nach Besuchen in Paris und Warschau nach Brüssel, um dort mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratspräsident António Costa und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die drei Spitzenvertreter der EU treffen. Auch ein Treffen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte steht auf dem Programm. Bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD hatte der CDU-Chef angekündigt, mit seiner Regierung dafür zu sorgen, dass Deutschlands „Stimme in Europa und in der Welt“ wieder gehört werde.